Volltext: XXI. Jahresbericht des Mädchen Lyzeums in Linz 1909/10 (21. 1909/10)

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dringliche Atmosphäre hüllt u. s. w. — 0b alles, was der Mrganismus 
an Form und Farbe bildet, auf Rechnung einer zweckmäßigen, das heißt 
nutzbringenden Anpassung zu setzen ist, ist oft schwer zu entscheiden. Man 
ist heute geneigt, alle die wunderbaren Farbenübereinstimmungen der Tiere 
mit ihrer Umgebung und anderen Tieren, wie sie als „Schutzfärbungen" 
und als „Mimikry" auftreten, als Resultate einer höchst gesteigerten direkten 
Anpassung aufzufassen und wird darin durcb experimentelle Farbenum¬ 
stimmungen bestärkt. Es gelangen solche Umfärbungen bei Amphibien, 
die man konstant auf einfärbigem, zu ihrem Kolorit kontrastierenden 
Grunde züchtete. Man konnte z. B. bei gefleckten Salamandern (Grund¬ 
farbe schwarz, Flecken gelb), die man auf gelbem Lehm züchtete, ein 
Überwiegen der gelben Färbung gegen die schwarze erzielen. Auffallend 
war dabei die rasche, direkte Farbenanpassung und die Vererbung des 
neugewonnenen Kolorits auf die nächste Generation. Es läge aber die 
Frage vor, ob alle diese schönen und oft mit geometrischer Akkuratesse 
ausgeführten Färbungen und Zeichnungen bei Tieren (Insekten z. B.) 
oder Blumen wirklich immer zweckmäßig sind. Es gibt ja auch Unzweck¬ 
mäßiges in der Natur. In sehr vielen Fällen mögen sie es als Lock¬ 
mittel auch wirklich sein. Man könnte manche aber auch einer ganz 
zwecklosen, rein spielerischen oder ästhetischen Ausdrucksfähigkeit der 
Lebewesen zugute schreiben und sie als „affektive" oder „expressive" 
Äußerungen den reizverwertenden und nutzbringenden Plasmafunktionen 
gegenüberstellen. Daß Spieltrieb, ästhetischer Sinn, ob er sich in Vor¬ 
liebe für Schmuck, Farbe oder in musikalischer Meise äußert, höheren 
Tieren eigen ist, ist bekannt. 
Die Anpassungs- und Umzüchtungsversuche bilden heute ein unge¬ 
mein produktives und noch vielen Ertrag verheißendes Arbeitsfeld der 
experimentellen Biologie. Meist dreht es sich darum, durch Variationen 
der äußeren Lebensbedingungen, also der Temperatur, der Masserzufuhr, 
der Belichtung oder durch chemische Änderung des Mediums (Master, 
Boden, Luft) Abänderungen zu erzeugen und sie vor allem auf ihre 
Konstanz, das heißt ihre Vererbungsfestigkeit zu prüfen. Besteht eine erbliche 
Konstanz der erzielten Umformungen, das heißt behaupten sich die er¬ 
zielten Abweichungen auch bei der Zurückversetzung in das alte Milieu — 
so können diese unter gleichbleibenden Lebensbedingungen in der Gene¬ 
rationsreihe verstärkt werden und es liegt eine phyletische oder ent- 
wicklungsgeschichtliche Anpassung vor. Ihr Einfluß macht sich durch 
Reizleitung oder auf dem Mege des Nervensystems im ganzen Mrga¬ 
nismus geltend und ergreift oft durch Korrelation, das heißt durch das 
einheitliche Zusammenwirken aller Mrgane auch entfernte und scheinbar 
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