Volltext: XXI. Jahresbericht des Mädchen Lyzeums in Linz 1909/10 (21. 1909/10)

wisser Organfunktioneii, bis das neue Lebensgleichgewicht wieder her¬ 
gestellt ist. „Funktionelle Reize" haben auf diese weise eine „funktionelle 
Anpassung" im Gefolge, die in höherem Grade als „funktionelle Selbst- 
gestaltung" die Organbildung oder mit anderen Worten die Entwicklung 
beeinflussen sann. Also das Erfordernis, der äußere Reiz, bestimmt die 
Richtung der Anpassung. So erscheint die Reaktion wieder „zweckmäßig", 
was in den Worten „Selbstregulation" oder „Anpassung" bereits selbst 
zum Ausdruck kommt. — Formuliert man dieses Geschehen mit den 
Worten: „Die Ursache jedes Bedürfnisses (!) eines lebenden Wesens 
ist zugleich die Ursache der Befriedigung des Bedürfnisses" oder: ein 
Bedürfnis löst zugleich die nötigen Reize zu einer Befriedigung aus, 
oder gar: die Organismen variiereil im Gefühl (!) ihres Bedürfnisses, 
wie sie wollen (!) und weil sie wollen" — so ist damit bereits ein 
Schritt ins psychische getan und man steht z. B. der Annahme einer 
„Pflanzenseele" gegenüber, wie sie auch in der Tat von namhaften 
Biologen (Fechner, Rerner, Delpino u. a.) gemacht worden ist, die 
Pflanzen selbst Instinkte, unbewußtes Empfindungs- und Triebleben, ja den 
sogar eine primitive Art der „Urteilskraft" zuschreiben. Der Nachweis 
von eigenen „Sinnesorganen" bei Pflanzen zur Aufnahme von Berührungs-, 
Licht- und Belastungsreizen hat diese These nur gefördert. Jedenfalls 
springt in solchen Erscheinungen, wo Organismen auf einen einheitlichen 
Reiz, wie Trockenheit (Wassermailgel), nicht gleichsinnig mit demselben 
Anpassungsschema, sondern mit einer Fülle der verschiedensten Anpassungs- 
formen, mail möchte sagen erfiilderisch antworten, wieder der Selbst- 
gestaltungsdrailg oder die Autoilomie des Lebenden in die Augeil. Oder 
sagen wir, eine durch 5eu Artcharakter oder die einmal eingeschlageile 
Entwicklungsrichtnng begreilzte Ailpasiungsfähigkeit. Bo sönnen sich 
Trockenlandpflanzen, die in wüsten, Steppen, auf Geröll- und Sand- 
bödeil mit der Wasserarmut kämpfeil, in tausendfältiger Form ihrem 
Standort anpasseil. Sie reduziereil bald ihre Blätter und Stiele auf 
dünne Rippeil und Ruten oder sie überziehen sie mit Ralk-, Riesel- 
plättchen, mit wachs, Firnis oder mit einer dickeil lederigen Tutis, mit 
weichem filzigen Flaunle, um die Wasserabgabe auf das Notweildigste 
zu beschräilkeil. Oder ihre Sprosse schwellen unförmlich ail, speichern 
Wasser oder Schleim (Kaftcen!) oder Gummi in sich auf, währeild die 
Blätter zu magereil Dorneil schrumpfeil. Andere werfen ihre Tran- 
spirationsorgaile, die Blätter, vollends ab oder bildeil äußerst hygro¬ 
skopische Haare aus, die aus der trockenen Luft noch Spureil von 
Feuchtigkeit aufsaugen, wieder aildere scheideil ätherische Ole aus, deren 
Verdampfung die pflailze in eine für die Sonnenhitze weniger durch-
	        
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