Volltext: XXI. Jahresbericht des Mädchen Lyzeums in Linz 1909/10 (21. 1909/10)

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Erwerbungen ganzer Geschlechter, die Instinkte der Gattung und ent¬ 
wickelt aus diesem „Gedächtnis" heraus die gesamte körperliche und 
geistige Konstitution des Individuums. Ja, er rekapituliert in der Ent¬ 
wicklung des Einzelwesens (in der Mntogenie) in gedrängter und gekürzter 
Folge die Formenreihe der Stammesentwicklung (die phylogenie), wie 
es das „biogenetische Grundgesetz" ausdrückt, und die Psyche des Kindes 
durcheilt in raschem Fluge den geistigen Werdegang der Kindheit des 
Menschengeschlechtes. So ist das Plasma in Wahrheit ein psycho- 
plasma. — Neugeborene oder eben aus dem Ei geschlüpfte Tiere, wie 
junge Hühnchen oder Enten, sind schon einige Stunden nach dem Aus- 
kriechen mit vielen zweckmäßigen Reflexbewegungen ausgestattet. Sie 
picken nach hingestreuten Körnern mit ziemlicher Treffsicherheit und das 
anfängliche picken nach nicht genießbaren Objekten hört bald auf. 
Junge Enten stürzen gleich in die dargebotene, mit Wasser gefüllte 
Schale, tauchen unter, baden und lernen bald die volle Schale von 
einer leeren unterscheidend) 
wie von der Reizeinprägung zum primären Gedächtnis und von 
da zur Vererbung sich eine Brücke schlagen läßt, so auch zur An¬ 
passung an neue Lebensverhältnisse, die eine Selbstregulierung eigener 
Art ist. Das Plasma und vor allem das jugendliche Plasma — gleich¬ 
gültig, ob sich dies „jugendlich" auf das wachsende Individuum oder 
auf eine junge, in Ausbildung begriffene Art bezieht — verfügt oft 
über eine erstaunlich vielseitige variations- und Anpassungsfähigkeit und 
ist ein Formenkünstler von unerschöpflicher Erfindungskraft. Man über¬ 
blicke nur den Formenreichtum, wie er sich beispielsweise im Skelettbau 
der Radiolarien, in der Zeichnung von Schmetterlingflügeln und den 
Schutzeinrichtungen der Trockenlandpflanzen (Xerophyten) gegen das Ver¬ 
dorren offenbart. Besonders Pflanzen reagieren leicht gegen Abänderungen 
der äußeren Faktoren (Wechsel des Standortes, der Temperatur). Alpen¬ 
pflanzen, in das wärmere Klima der Ebene versetzt, verlieren ihren 
alpinen Habitus (z. B. den flaumigen Blattbesatz). Pflanzen feuchten 
Standortes, denen die gewohnte Wasserration geschmälert wird, reduzieren 
Stengeldicke und Blattflächen und wachsen zu schmächtigen Wassdrsparern 
(Xerophyten) aus. Selbst Parasiten, wie die Schuppenwurz (Katttraeu) 
oder die Kleeseide (Cuscuta) lassen sich ihrem Schmarotzertum entwöhnen 
und kehren unter Thlorophyllbildung zur angestammten assimilierenden 
Ernährungsweise zurück. Die neugeschaffenen Lebensbedingungen, wenn 
sie nur lange genug wirksam sind, stimmen als konstante „Reize" den 
Themismus um und erzeugen eine Steigerung (oder Herabsetzung) ge- 
i) Nach E. N a ch zitiert.
	        
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