Volltext: Die deutschen Gewerkschaften im Kriege [87]

Diese Beschlüsse sind aber auch durchaus nicht nur Beschlüsse 
geblieben, sondern in der Tat die Richtlinien der gewerkschaftlichen 
Kriegspolitik geworden. Alle Lohnbewegungen wurden sofort ein¬ 
gestellt. Als sich später, infolge der Verteuerung der Lebenshaltung, 
ein starkes und nur allzu berechtigtes Verlangen nach Erhöhung der 
Löhne geltend machte, haben die Gewerkschaften mit allem Nach¬ 
druck und befriedigendem Erfolge danach gestrebt, die sich daraus 
ergebenden Lohnbewegungen ohne Störung des Arbeitsprozesses zu 
führen. Jeder Kenner der Verhältnisse weiß, wie schwierig das in 
zahlreichen Fällen gewesen sein muß, und wir alle wissen, wie un¬ 
endlich viel für die Kriegführung hinter der Front davon abhing 
und noch immer abhängt. Man darf billig bezweifeln, ob es ohne 
diese Tätigkeit der Gewerkschafterl möglich gewesen wäre, die Arbeit 
im Larrde so, wie es geschehen ist, vor allen Störungen und Unter¬ 
brechungen zu bewahren. 
Als sich unter dem ersten Eindrücke des Kriegsausbruches eine 
Arbeitslosigkeit von beklemmendem Amfange zeigte, haben die Ge¬ 
werkschafter: ihre Anterstützungseinrichtungen sofort den ungewöhn¬ 
lichen Zuständen angepaßt, indem sie einschränkende Bestimmungerr 
aufhoben, um allen ihren erwerbslosen Mitgliedern einen Rückhalt 
in der großen Bedrängnis zu bieten. Sie haben sich auch von der 
ersten Woche an mit Eifer, teilweis sogar mit Übereifer, der Unter¬ 
stützung der Kriegerfamilien gewidmet. Als die Dauer des Krieges 
die anfänglich vorgesehenen regelmäßigen Unterstützungen nicht mehr 
zuließ, sind sie zu Zuwendungen übergegangen, die teilweis als Miete¬ 
beihilfen, teilweis zu den hohen Festen gezahlt werden. Bis zum 
Oktober 1916 hatten die Zentralverbände allein für diese Zweige 
der sozialen Kriegsfürsorge rund 53 Millionen Mark aufgewendet. 
Als die Absperrung Deutschlands von der Seezufuhr empfind¬ 
liche Eingriffe in die Nahrungsmittelversorgung nötig machte und 
es sich darum handelte, die Bevölkerung über diese Notwendigkeit 
aufzuklären, haben sich die Gewerkschaften durch Wort und Schrift 
an dieser Aufklärungsarbeit beteiligt. Ein ganz eigenes Kapitel ist 
dabei die Tätigkeit der Gewerkschaftspresse. Es ist bekanntlich eine 
Eigentümlichkeit der deutschen Gewerkschaften, daß sie, im Gegen¬ 
satz zu den englischen und skandinavischen Gewerkschaften, eine gut- 
ausgebildete eigene Presse unterhalten. Jeder, auch der kleinste 
deutsche Zentralverband hat seine Verbandszeitung, die jedem Mit¬ 
glieds umsonst geliefert wird (nur der Buchdruckerverband gibt seine 
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