Volltext: Von Tannenberg bis Hellingfors. Polen. Rumänien. Von den Karpathen zum Kaukasus. Die serbische-mazedonische Front. Italienfront. Der Orient (I. / 1935)

Rümpfe an der Ginaifront 
von 20000 Mann nur auf Gchienengleisen bewerkstelligen. Denn sogar das Wasser mußte durch 
die wüste nachgeführt werden. Leider war aber keine Bahn vorhanden. Die Ramelkarawanen ge¬ 
nügten auf die Dauer nicht. Lastkraftwagen waren in dem mahlenden Sande nicht zu verwenden. 
So lag die ganze Chance des Unternehmens von vornherein darin, in raschem glücklichen Vorstoß 
die Ranallinie zu gewinnen und im nördlichen Ägypten festen Fuß zu fassen. 
Der Plan mißglückte. Die Engländer waren auf der Hut. Sie hatten sich hinter dem Ranal stark 
verschanzt und verfügten über das Doppelte an Truppen. Die Türken konnten sich infolge des ver¬ 
sagenden Nachschubs an der Ranallinie nicht halten. Sie mußten, wollten sie nicht verdursten, zurück. 
vloch zweimal hatte das türkische Palästinaheer im Jahre 1916 den versuch wiederholt. Beide 
Mal umsonst. Die Ginaiwüste erwies sich als unüberwindlich. 
1917 hatte sich die Lage dann von Grund auf geändert. Die Engländer waren zur Gegenoffensive 
übergegangen. Ungefähr zur gleichen Zeit griffen sie auch Ln Mesopotamien an. Ihre Ziele waren 
Bagdad und Jerusalem. Ursprünglich war auch die Mitwirkung der russischen Raukasusarmee bei 
dem gewaltigen Plan, von dem man die Zertrümmerung der Türkei erhoffte, beabsichtigt gewesen. 
Aber die russische Revolution hatte durch diese Rechnung einen Strich gemacht. 
Für den Palästinafeldzug waren sehr gründliche Vorbereitungen getroffen, vor allem hatten 
die Engländer, durch die Mißerfolge der Türken belehrt, eine Bahn durch die Ginaiwüste gebaut. 
Dennoch scheiterte ihr erster und zweiter Angriff auf die türkischen Stellungen bei Gaza und Berseba im 
März 1917 blutig. Erst im Herbst gelang es ihnen in neuem Anlauf die Türken bis über Jerusalem 
hinauszudrängen. 
Der Verlust der drei heiligen Städte des Islam Bagdad, Jerusalem und Mekka, dessen Emir 
schon I9I6 von der Türkei abgefallen war und sich mit den Engländern verbündet hatte, war für das 
Ansehen des Osmanifchen Reiches in der islamischen Welt ein sehr schwerer Schlag gewesen. Für die 
Gewinnung einer britischen Landbrücke zwischen Ägypten und Indien aber war das Vordringen der 
Engländer in Palästina, Arabien und Mesopotamien ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung. 
Ver große Vogel stellt sich summend wie ein Maikäfer, der fliegen will, gegen den wind. Dann be¬ 
ginnt der Motor zu rasen; ein wütender Luftstrom trifft Stirn und Backen; wir rollen; der Winkel 
gegen die Erde verändert sich leicht; wir sind Ln der Luft; wir steigen. Eine Rurve zeigt noch einmal 
den schon ganz klein gewordenen Flugplatz von Dschenin in der Ebene Jefreel, südöstlich Haifa. Die 
Landschaft unter uns beginnt sich auszubreiten; $00 Meter Höhe, 800 Meter, 1000 Meter, wir steigen 
weiter und nehmen Richtung nach Norden. Das Flugzeug liegt heute sehr ruhig Ln der Luft, man 
kann sich ohne Bedenken losschnallen und aufstehen, um freier sehen zu können. 
Ganz anders als der Soldat, der über den Erdboden hinmarschiert, reitet oder fährt, sieht der 
Flieger das Land. Er sieht es von oben; er sieht nicht das Profil, sondern den Grundriß. Sein Blick 
faßt große Strecken zusammen; ganze Provinzen; hier noch mehr als in Nordftankreich oder in 
Rußland, was er hier überschaut, das ist tatsächlich das ganze Heilige Land, dieser Strich Erde, an 
dem so gewaltige geschichtliche Erinnerungen haften, wie ein aufgeschlagenes Buch liegt es vor dem 
Flieger und spricht zu ihm. Die Orientierung ist leicht. Links verläuft die lange Linie des Mittel¬ 
ländischen Meeres, rechts die tiefe Spalte des Jordan. Scharf fetzt sich, aus fast 2000 Meter Höhe 
gesehen, der Rand der Ebene Jesreel gegen den felsigen Höhenzug im 'Norden ab. Das ist die Heimat 
des Herrn gewesen. Dort liegt Nazareth mit seinen winkligen Straßen und dem blaugrauen Schiefer¬ 
dach des großen kasernenhaften Rlosters, auf das wir einen Augenblick heruntersehen. Jetzt sind 
wir über Rana, der Stätte des Hochzeirswunders. von rechts blickt wie ein großes dunkles tief¬ 
liegendes Auge der See Genezareth zu uns herauf. Zwischen dem See und Rana erkennen wir einen 
grauen Gebirgsklotz. Dort wurde das letzte Rreuzfahrerheer durch Galadin vernichtet. 
wir wenden uns gegen das Meer. Akkon taucht auf, die stärkste Burg der Rreuzfahrer, die 
Stelle, bis zu der Napoleon auf seinem abenteuerlichen Zuge von Ägypten gegen Ronftantinopel 
kam; dann die geschwungene Bucht von Haifa und das Vorgebirge, mit dem der Rarmel in die See 
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