Volltext: Von Tannenberg bis Hellingfors. Polen. Rumänien. Von den Karpathen zum Kaukasus. Die serbische-mazedonische Front. Italienfront. Der Orient (I. / 1935)

In Syrien 
Schon treten wir in die Gasse zwischen dem Libanon und dem Antilibanon ein. Mächtig ist der 
Eindruck der beiden Gebirgsmauern, die uns rechts und links begleiten. 'Nackt liegen die dunklen 
Hänge. Jedes Tälchen und jeder Rücken ist einzusehen. Die Berge scheinen wie ausgestorben. 
Aber jetzt kündigt sich die Nähe eines Ortes an. Bebaute Felder. Auf einem dürftigen Bahnhof 
hält der Zug. 
Uber der kleinen Stadt, deren Häuser wirr durcheinander liegen, ragen fünf oder sechs mächtige 
Säulen empor, die einen schweren Steinbalken tragen. Baalbek! Eine der größten Trümmerstätten 
des Orients, vielleicht die größte. Sicherlich eine der eindrucksvollsten, die der deutsche Soldat auf 
seiner Fahrt im Orient vom Wagenfenster aus erblickt, Noch lange begleitet ihn das Bild der sechs 
Ääulen, die auf ihren eigenen Fall warten. Denn die gewaltigen Impulse, die zur Aufrichtung dieser 
Steingefüge führten, sind längst rot und werden sich sobald nicht wieder beleben. Auch der weniger 
Nachdenkliche fühlt dunkel die Tragik einer abgestorbenen Rultur, die irgendwie verbunden war mit 
d^m Untergang einer Menschenart. 
Vie Batterie marschiert. Sie marschiert tatsächlich! Unendliche Mühe har es gekostet, die des Ziehens 
ungewohnten Pferde an die Taue zu gewöhnen und die Sechsgespanne leidlich zur Einheit zusammen¬ 
zufügen. Am dritten Tag wandern wir gemächlich über eine Hochfläche, die langsam in der Marsch¬ 
richtung abfällt. Die Stimmung ist munter. Scherzworte fliegen hin und her, sie sind meist nicht sehr 
zart. Eine gewisse Erwartung liegt über allen. 
Endlich sind wir am Ausgang des Gebirges. Weites flaches Land dehnt sich; vor uns liegt eine 
große Stadt, die Oasenstadt zwischen der Ode des Felsen gebirges und der Ode der Wüste. Ihre Lebens¬ 
fähigkeit beruht auf dem durch Gräben und Ranäle verteilten Wasser der kleinen Gebirgsflüsse, die 
den Gebirgsflanken entfließen. Das ist Damaskus. Es ist mindestens so alt wie Rom und Ronstanti- 
nopel, fast könnte man von der dritten ewigen Stadt sprechen, der Großstadt in der wüste. Erstaunlich 
für jeden, der sich ihr nähert, er komme aus den schweigenden Bergen oder aus der schweigenden Wüste. 
Die Stadt mit dem engen Häusergewirr des Orients, in dem elektrische Straßenbahnen laufen, in 
dem jetzt, da es Abend zu werden beginnt, elektrisches Licht aufschimmert. Die Stadt der Gegensätze, 
wo das Ramel neben dem Auto, die Öllampe Abrahams neben der Glühbirne, das elegante Hotel 
neben dem Han aus lOOl Nacht steht. Sie wirkt deshalb so stark auf jeden Einzelnen, weil nicht nur 
die Gegensätze zwischen urtümlicher und entwickelter europäischer Technik anziehen und abstoßen, 
sondern in noch stärkerem Maße der Gegensatz zwischen der bis zum Luxus sich erhebenden Lebens¬ 
möglichkeit innerhalb dieser Vase und der bis zur Lebensunmöglichkeit gesteigerten Ode ringsum. 
Der Europäer kämpft mit dem Gedanken, daß die Großstadt ein nicht zu vermeidendes Übel sei. 
Hier ist das anders. Das Leben des Wüstenbewohners bietet so unendlich wenig und ist so deutlich 
unterwertig, daß für den, der zwischen Stadt und wüste — eben das ist die Alternative von Damaskus — 
zu wählen hat, kein Zögern möglich ist. 
Der Rranz von Gärten, der Damaskus umgibt, liegt hinter uns, wir marschieren auf der großen 
Straße, der via Maris der Alten, nach Südosten. Es ist die Straße, die Saulus Ln der entgegen¬ 
gesetzten Richtung gezogen sein muß, da er noch Wut schnaubte gegen die Gefolgschaft dessen, gegen 
den er bisher im Rampf gestanden hatte, und die er wieder eingeschlagen haben muß, als er sein um¬ 
wandelndes Erlebnis gehabt hatte. An der Stelle, wo wir rasten und den Blick rückwärts wenden, 
wird auch der zum Paulus gewordene gestanden haben. Da liegt die Stadt, dicht eingebettet in Baum¬ 
gärten, aus denen die dünnen Minaretts und hier und da ein Haus hervorragen. Man ahnt sie mehr, 
als daß man sie sieht. Aleppo, von seiner klotzigen Burg überragt, hatte durch seinen enggedrängten 
Häuserhaufen gewirkt, Damaskus aber hat, aus der Ferne gesehen, etwas Zauberhaftes, Geheimnis¬ 
volles. Der Eindruck wirkt verstärkt durch die Umgebung. Im Norden steigen die völlig kahlen, 
gelben und braunen Hänge des Gebirges empor. Im Osten liegt die unendliche Ebene der wüste. 
Im Südosten schließt sich daran gewelltes Land, am Horizont steigt die Gebirgsinsel des Hauran 
empor. 
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