Volltext: Von Tannenberg bis Hellingfors. Polen. Rumänien. Von den Karpathen zum Kaukasus. Die serbische-mazedonische Front. Italienfront. Der Orient (I. / 1935)

vom Tagliamento zur Piave 
wollte sie noch viel mehr zerzausen; er wollte sie so schlagen, daß sie für diesen Rrieg genug hatten, 
vielleicht glückte es, die beiden italienischen Isonzoarmeen, die jetzt zum Tagliamento zurückströmten, 
noch diesseits des Flusses einzukreisen und zur Übergabe zu zwingen. Mit furchtbarer Gewalt 
drängten die deutschen Truppen sie nach Süden zusammen, vergeblich versuchten die Italiener sich 
immer wieder festzuklammern. Ein paarmal kam ihnen die Vlatur zu Hilfe. Ausgetrocknete Flu߬ 
betten, Torrente genannt, schwollen durch starke Regengüsse für Stunden und Tage zu reißenden 
Strömen an. Aber der zähe Mille deutscher und österreichischer Truppen wurde immer wieder aller 
Hindernisse Herr. 
An den Übergängen über den Tagliamento bei Ladroipo stauen sich die Massen des zurück¬ 
flutenden Heeres. Am Morgen des Zc>. Oktober stürmen die Deutschen gegen den von den Italienern 
gebildeten Brückenkopf an, durchbrechen ihn, stehen am Fluß. Wie das ausgedörrte Bett eines ge¬ 
waltigen Urstromes liegt er vor ihnen, wohl einen Rilometer breit. Dünne silberne Rinnsale nur 
laufen zwischen den Steinbänken. Wenige ICO m vor ihnen liegen die Brücken. An ihren Eingängen 
ein wildes Rnäuel kämpfender, schreiender Menschen. Über sie hinweg ein Strom von Fußgängern, 
Reitern, Rraftwagen, Ranonen. — Maschinengewehre werden auf die Uferdämme geworfen, Feuer¬ 
garben schlagen in die sich drängenden Massen am Ufer, in die Flüchtenden auf der Brücke. Deutsche 
Jäger stürzen sich, ihre Maschinengewehre mit sich schleppend, in das Getümmel, laufen zusammen 
mit dem fliehenden Feind über die Brücke. Schon sind sie nahe am anderen Ufer, da fegt italienisches 
Maschinengewehrfeuer gegen Freund und Feind. Wahnsinnige Verwirrung. Italiener und Deutsche 
werfen sich zu Boden, springen ins Wasser. Plötzlich schießen mächtige Feuergarben empor, gewaltige 
Detonationen erschüttern die Luft. — Die drei Brücken über den Tagliamento sind gesprengt. Alles, 
was an italienischen Truppen noch auf dem Ostufer steht, ist verloren. Sechzigtausend Mann müssen 
sich bei Ladroipo ergeben. Die 2. italienische Armee ist so gut wie vernichtet. 
Nirgends im Weltkrieg hat es ein solches Schauspiel des Unterganges und der Vernichtung 
gegeben wie auf der Straße von Ladroipo bis zum Tagliamento. Hilflos zusammengedrängt, be¬ 
wegungslos Menschen und Pferde, dazwischen Wagen, Ranonen, das Heeresgerät einer halben 
Armee. Zahllose Tore und Verwundete unter den Füßen und Pferdehufen. Schreie, Stöhnen, ver¬ 
zweifeltes Umsichschlagen. — Es dauert viele Stunden, bis die fürchterliche Verwirrung sich zu lösen 
beginnt. Erst nach Tagen ist die Straße für den deutschen Vormarsch frei. 
Ein gewaltiger Erfolg. Aber General Otto von Below ist unzufrieden. Der Übergang über den 
Tagliamento ist nicht geglückt. Er muß, koste es was es wolle, erzwungen werden. Inzwischen wird 
man von Ladroipo aus am Tagliamento nach Süden vorstoßen bis zum Meer, um auch die italienische 
Z. Armee, die am Meeresufer zurückeilt, noch diesseits des Flusses zu packen und zu zertrümmern. 
Mißverständnisse zwischen den verbündeten. Hemmungen. — Die Italiener können bei Latisana 
hart an der Mündung des Tagliamento schwer gerupft entwischen. 
Zweihunderttausend Gefangene, zweitausend Geschütze. Aber das ist dem General von Below noch 
immer nicht genug. Er drängt weiter. In der Vlacht vom 2.—Z. November glückt es deutschen und 
österreichischen Truppen, den Unterlauf des Tagliamento zu überschreiten und sich am Westufer aus¬ 
zubreiten. Auch hoch im Norden, am Oberlauf des Flusses, sind deutsch-österreichische Truppen schon 
in raschem Vordringen. Die ganze nördliche Alpenfront bis hinüber zu den Dolomiten wird in die 
gewaltige Bewegung mit hineingerissen. 
Die österreichische Oberste Heeresleitung entschließt sich, den alten Gedanken Lonrads, Vorstoß 
von Südtirol aus auf Vicenza und Venedig, wieder aufzunehmen. Der Untergang des gesamten 
italienischen Heeres rückt in greifbare Nähe. 
wiederum beginnt zwischen dem Tagliamento und der Piave der wettlauf auf Leben und Tod. 
Ganze italienische Divisionen werden abgeschnitten und gefangengenommen. Widerstand an der 
Livenza wird hinweggefegt. 
Inzwischen schreitet auch an der Alpenfront der Angriff schnell vorwärts, von den Gebirgs- 
stöcken der Dolomiten und den Rarntschen Alpen weichen die Italiener, der Piave folgend, nach 
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