Volltext: Von Tannenberg bis Hellingfors. Polen. Rumänien. Von den Karpathen zum Kaukasus. Die serbische-mazedonische Front. Italienfront. Der Orient (I. / 1935)

Der Plan zur deutsch-österreichischen Offensive bei Flitsch—Tolmein 
Ein Fingerdruck. Der Berg scheint in den Grundfesten zu wanken. Feuergarben schießen aus 
dem Gipfel, riesige Rauchwolken quellen aus aufgerissenem Gestein hervor. Felswände stürzen, La¬ 
winen gehen donnernd zu Tal. Hunderte von Menschenleben sind vernichtet. 
Aber wenn das dumpfe unterirdische Dröhnen verhallt ist und der Rauch sich verzogen hat, dann 
ragt der Berg in unveränderter Majestät zu den Wolken. Ein Stück Felsen ist verschwunden, eine 
Schutthalde zieht sich den Abhang hinunter. Das ist alles. Die Mittel der Vernichtung, die mensch¬ 
licher Aberwitz anhäufte, haben das göttliche Antlitz der Natur kaum geritzt. 
Heeresberichte erwähnen, daß auf dem Lol di Lana, auf dem Monte Limone, dem Monte Pa- 
fubio gewaltige Gipfelsprengungen stattgefunden haben, daß die feindliche Besatzung vernichtet und 
der Trichter Ln Besitz genommen sei. Ein paar knappe sachliche Worte für eine Menschheitstragödie. 
Was sind Ln diesem Rriege Zoo oder 500 Tote. — 
^kn der lo.Isonzoschlacht, im Mai 1917, verloren die Österreicher von neuem zwischen Görz und 
V dem Meer ein Stück Boden. Zwanzig Quadratkilometer, nicht mehr. Aber auf diesem Schlacht¬ 
feld, auf dem jeder Quadratmeter etwas bedeutete, nahm man einen solchen Raumverlust sehr ernst. 
Ladorna gewann den Eindruck, daß die österreichische Front anfing, brüchig zu werden. Rück¬ 
sichtsloser noch als vorher trieb er seine Divisionen im August 1917 in die elfte Schlacht. Auch der 
italienische Soldat war freilich nicht mehr der gleiche wie in den ersten Schlachten. Aber da ihm diese 
stumpfsinnige Art des Tötens und Sich-töten-Lassens nun einmal zur Gewohnheit geworden war, so 
rannte er auch diesmal wieder gehorsam gegen die zu Brei geschlagenen österreichischen Stellungen an. 
Wiederum gab die österreichische Front nach, diesmal nördlich Görz, auf der Hochfläche von Bainsizza- 
Heiligengeist. Der Monte Santo, Österreichs heiliger Berg, mußte aufgegeben werden. Es gab einen 
kurzen gefährlichen Augenblick, in dem zwischen Tolmein und Görz eine Lücke klaffte, zu deren Schlie¬ 
ßung nicht genug Soldaten zur Stelle waren. Schon tauchte der Gedanke auf, die ganze Hochfläche 
von Bainsizza-Heiligengeist zu räumen, wodurch dann .die Stellung bei Görz und auf dem Plateau 
von Doberdo völlig umfaßt und wahrscheinlich unhaltbar geworden wäre. Schließlich gelang es 
doch noch, in einer nur wenig gebogenen Linie von Tolmein nach dem Monte San Gabriele eine 
neue Front zu errichten. 
Das war die dritte und letzte Warnung. Sie konnte nicht mehr überhört werden. Die Isonzo- 
front hing im Tolmeiner Brückenkopf, im Monte San Gabriele und in der Hermada nur noch in 
losen Angeln. Der zwölfte italienische Angriff konnte zur Ratastrophe führen. 
Es handelte sich um mehr als um die Isonzofront. Es ging um das österreichisch-ungarische 
Heer und um das Prestige der Donaumonarchie. Auch das war noch nicht alles: die Südflanke der 
deutschen Westfront war gefährdet. Eine Ratastrophe bei Görz konnte verhängnisvoll für die große 
deutsche Frühjahrsoffensive I9I8 werden, durch die Ludendorff die Entscheidung erzwingen wollte. 
Sie ließ sich Ln Ruhe und mir voller Rraft nur durchführen, wenn im Süden, an der italienischen 
Front, nichts zu befürchten war. 
Die beiden Verbündeten kamen zu einem Entschluß. Sie mußten an der italienischen Front 
die Initiative an sich reißen. Die nächste Schlacht in Italien wollten sie als Angreifer schlagen. Deutsch¬ 
land stellte eine Armee dafür zur Verfügung. Den Oberbefehl über die deutsch-österreichischen An¬ 
griffstruppen führte der deutsche General Otto von Below. 
Man wählte das Schlachtfeld nicht in Südtirol, nicht bei Görz, sondern hart am Rande des 
Hochgebirges, am Oberlauf des Isonzo zwischen Flitsch und Tolmein. 
Der Isonzo fließt bis Flitsch nach Westen und wendet sich dann in scharfer Biegung nach Süden 
dem Adriatischen Meer zu. Er zwängt sich in junger, schäumender Rraft durch die mächtigen Gebirgs- 
stöcke des Rombon und Lanin, des Rrn und des Stol und Monte Matajur. Die österreichisch-italieni¬ 
schen Stellungen überquerten ihn, vom Rombon herabkommend, zum erstenmal hart östlich Flitsch, 
zum zweiten- und drittenmal, einen schmalen Brückenkopf bildend, am Isonzoknie bei Tolmein und 
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