Volltext: Der österreichische Staatshaushalt und die Steuerreform (Teil II. / 1909)

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unterschieden. Also muß die Besteuerung folgen. Die alte einfache 
Gebäudesteuer muß gespalten werden in eine Wohnsteuer und eine 
Steuer auf Werkhäuser und Werkräume. Auch das geht nur, wenn 
der Staat den Hausherrn ausschaltet und sich direkt an den Mieter 
von Werkstätten und Werkhäusern wendet und von ihm direkt die 
Werkstättensteuer einhebt. Erst dann kann er auf den Geschäftsgang 
Rücksicht nehmen. 
Die Ausschaltung des Hausherrn aus der Gebäudesteuer ist 
also ein Gebot sowohl der Wohnungsreform wie des Werkstätten- 
"schutzes. Sie ist zugleich eine politische Notwendigkeit. Daraus, daß 
der Hausbesitzer fremdes Geld und fremde Steuern ins Steueramt 
trägt, sich aber diese Steuerleistung selbst zurechnet, maßt er sich un 
cerhörte Wahlrechtsprivilegien in Gemeinde und Land an. Er wählt 
nuf Grund der Steueropfer der Mieter meist im ersten oder zweiten 
Wahlkörper und beherrscht dadurch die Stadtverwaltung. Dort ist 
tx als Inkarnation des Kapitalismus das beständige Hindernis einer 
wahrhaft sozialen Verwaltung in der Gemeinde. Durch ganz ver 
altete, ungerechte Steuergesetze werden die Ratsstuben der Gemeinden 
geradezu zur Domäne des engherzigsten, protzigsten Klüngels von 
.Kapitalisten — auf Kosten der proletarischen Wohnungsmieter wie 
hex gewerblichen Laden- und Werkstattmieter. 
So birgt unser elendes Gebüudesteuergesetz nicht nur die krasseste 
ökonomische Ausbeutung, sondern auch die volksfeindlichste Klassen 
herrschaft. Die Gebäudesteuerreform mutz also zur weittragenden 
sozialen und politischen Reform werden, wenn sie zweckmäßig durch 
geführt wird. 
Unser gegenwärtiges Steuersystem und die Reform- 
vorschläge Aorytowskis. 
Unsere Gebäudesteuer ist ganz rückständig, sie basiert auf 
Patenten von 1820 und 1849, also auf Auffassungen der früh- 
kapitalistischen Zeit. Die wichtigsten Unterscheidungen, welche die 
wirtschaftliche Entwicklung gemacht hat, kennt sie nicht. Sie unter 
scheidet bloß das Eigenhaus und das Zinshaus und diese mcht voll 
kommen. Im Mittelpunkt ihres Interesses steht der Hausbesitzer und 
-der kapitalistische Ertrag seines Hauses. Wo sie sozial sein will, schafft 
sie faktisch Privilegien von Kapitalisten: Dadurch, daß sie für Neu 
bauten einige Jahre Steuerfreiheit gibt, kommt sie der Baulust 
der Unternehmer, aber auch der Bauspekulation in erster Linie zu 
gute, wenn auch daneben für den Mieter indirekt etwas abfällt. Ein 
besonderes Gesetz vom Jahre 1902 gewährt Steuerbegünstigungen 
für den Bau von A r b e i t e r w o h n h ü u s e r n, sie erleichtern es 
den Großindustriellen, die Arbeiter doppelt fabrikshörig zu machen. 
Die Hansklassenstener. 
Die Eigenhausbesitzer zu treffen, dient die Hausklassensteuer. 
Aber nicht alle Eigenhausbewohner unterliegen ihr. Der Hausklassen-
	        
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