Volltext: Der österreichische Staatshaushalt und die Steuerreform (Teil II. / 1909)

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bemächtigte sich des Hausbesitzes. Das Haus diente nicht mehr zum 
Selbstbewohnen, sondern zur kapitalistischen Verwertung, zum Ver 
mieten zwecks Gewinnung ständiger Kapitalerträge. Die Proletarier 
und mit ihnen zahllose andere Bevölkerungsschichten wurden nun, 
da sie ja unter freiem Himmel nicht hausen konnten, zu Hörigen des 
Häuserkapitals. 
Das Häuserkapital besteht aus zwei Elementen: der Bau 
spekulant kauft e r st e n s ein Stück Grund, die Baustelle; dadurch 
erwirbt er das Monopol, auf diesem Boden zu bauen. Wenn er diese 
Baustelle lange liegen läßt, ohne nur einen Heller Geld, ohne irgend 
eine Arbeit darauf zu verwenden, so steigt diese im Preis; sie erfährt 
einen unverdientenWertzu wachs (siehe I., Seite 8, Punkt 2), 
eine Quelle der .sogenannten Grundrente. Biele Spekulanten, die 
große Flächen früher ganz wertlosen Bodens aufgekauft und gesperrt 
haben, sind infolge dieses Wertzuwachses ohne Handstreich Arbeit 
reich geworden. In den Städten und im Umkreis derselben sind 
solche Baugründe auf das Hundert- und Tausendfache des ursprüng 
lichen Preises gestiegen. Dieser Wertzuwachs ist in der Arbeit der 
gesamten dort angesiedelten Bevölkerung begründet, aber einzelne 
Privatleute stecken ihn ein. Kaum irgendwo ist die kapitalistische 
Ausbeutung durch die Privateigentümer so handgreiflich, so empörend 
wie beim städtischen Grundbesitz. 
Aber solange der Boden unbebaut ist, wird die Grundrente 
nicht sichtbar, nicht flüssig. Um sie zu realisieren, muß der Spekulant 
als Unternehmer auftreten, Kapital in Baumaterialien und Bau 
arbeitern aufwenden, er muß bauen. Zum Grundpreis kommt noch 
der Kapitalwert des Gebäudes selbst, zur Grundrente kommt noch 
der Zins des Baukapitals und der Profit des Unternehmens hinzu. 
Grundrente, Kapitalzins und Profit müssen nun die Mieter im 
Mietzins aufbringen, und diesen steckt der nunmehrige Hausherr als 
Ertrag des Gebäudes ein. 
Wenn nun der Staat den Hausbesitzer besteuert, so will er 
nicht mehr sein Vermögen treffen, sondern den Ertrag des 
Hauses. Dieser ist der Mietzins. Der Staat stellt also die Höhe 
aller Mietzinse fest, ohne sich um die Beschaffenheit des Hauses zu 
kümmern, berechnet nach ihnen die Steuer, er hebt also keine Klassen 
steuer, sondern' die Hauszinssteuer vom Hausherrn direkt ein, und 
zwar offenbar als Ertragsteuer vom Ertrag des Gebäudes. 
Sieht man nun den Hauseigentümer und seine Interessen, so 
ist diese Hauszinssteuer nichts anderes als jede andere direkte 
Ertragsteuer, die Besteuerung eines Kapitalertrages. 
Wie stellt sich jedoch die Sache für den Mieter dar? Die 
Mieter tragen vormittags den Mietzins in barem Gelde zum Haus 
herrn, dieser nimmt aus dieser selbigen Geldsumme einen Teil- und 
trügt ihn nachmittags auf das Steueramt. Dieselben Noten und 
Münzen, die noch früh in den Taschen der Mieter waren, sind 
abends in der Kasse des Steueramtes: Es ist leibhaftig ihr Geld, 
das sie indirekt in das Steueramt geleistet haben, wobei der 
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