Volltext: Der österreichische Staatshaushalt und die Steuerreform (Teil II. / 1909)

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viel, beim Wein aber nichts — an diesen wagte er sich vorerst nicht 
heran. 
Ueberaus bezeichnend für unsere christlichen und nationalen 
Parteien ist: daß sie an der Besteuerung des Trunkes der Aermsten^ 
des Branntweins, weniger auszusetzen finden, die staatliche Biersteuer 
nicht recht leiden mögen, *) von der Mehrbesteuerung des Weines 
aber gar nicht einmal reden wollen. Wir sehen auch hier das instinktive 
Streben, die Mittel- und Oberklassen möglichst steuerfrei zu erhalten. 
Wären sie wirklich sozial, so müßten sie, da sie ja einmal gern 
Steuern bewilligen, wenigstens sagen: Alle drei Getränkesteuern 
sind zugleich mäßig anzuziehen, aber die feinen Weine, Biere und- 
Liköre höher als die gewöhnlichen, Wein höher als Bier, Wein und 
Bier höher als der gewöhnliche Trinkbranntwein. Auch hier verfolgen 
sie die umgekehrte, direkt antisoziale, direkt kapitalistische Richtung. 
Durch die Aufnahme der Biersteuer hat Bilinski übrigens den Wider 
stand der Landtagsautonomisten hervorgerufen, welche das Bier als 
Steuerobjekt der Landtage festhalten wollen. Im Augenblick scheint 
er diesen gegenüber den Mut verloren zu haben, es heißt, daß er die 
Biersteuererhöhung fallen lassen wolle und an die Erhöhung der 
W e i n st e u e r sowie an eine Zündhölzchensteuer und andere indirekte 
Abgaben denke. Ob nun die Regierung diesmal die Biersteuer fallen 
läßt oder nicht, durch die fortschreitenden Rüstungen werden die 
Finanzminister immer wieder versucht sein, das Bier zur Steuererhöhung 
heranzuziehen. Wir haben auf jeden Fall Ursache, uns auch mit der 
Biersteuer zu befassen. 
Wie die Viersteuev erhoben wird. 
Wie der Wein aus süßem Most, so bildet sich das Bier aus 
zuckerhältiger Bi erw ürz e durch Gärung. Die Bierwürze ist die 
durch Keimung verwandelte Gerste. Besteuert wird der Zuckergehalt 
der Bierwürze, der mit dem Saccharometer ebenso gemessen wird 
wie der Zuckergehalt im Möst durch die Mostwage. Die staatliche 
Besteuerung des Bieres macht bis heute 34 H. per Hektolitergrad und 
soll nach Bilinskis Entwurf auf einmal auf 70H. erhöht, also mehr 
als verdoppelt werden. 
Dafür sollen allerdings die bisherigen Landesbierumlagen auf 
gehoben werden, welche das Land meist vom Gastwirt per 
Faß einhebt und die meist Kr. 170 vom Hektoliter (in Steiermark 
2 Kr.) betragen. 
Zwei Biersorten sind im Handel: das 10gradige Abzugbier und 
das 12- bis 13gradige Lager- oder Märzenbier. Zu bemerken ist, daß 
ein Teil des gemessenen Alkoholgehaltes durch das Lagern und die 
Manipulation verdunstet. Diese sogenannte Schwendung berechnet 
man mit 6 Prozent. So ergibt sich folgende Steuerbelastung des 
Trinkbieres: 
*) Für die Landtage haben sie selbst die Bierumlage eingeführt.
	        
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