Volltext: Der österreichische Staatshaushalt und die Steuerreform (Teil II. / 1909)

55 
Wir sind ein armes Land, aber immerhin haben wir soviel, 
daß wir den reichen Alkoholkapitalisten 33 Millionen Kronen alljährlich 
für nichts und wieder nichts spendieren können. Und wenn uns das 
Geld doch zu wenig wird, dann besteuern wir eben den täglichen 
Trunk der Aermsten und erhöhen noch die Liebesgaben! 
Wir haben das System unserer Branntweinbesteuerung so weit 
läufig auseinandergesetzt, damit der Leser an einem Musterbeispiel 
den Klassencharakter des Staates bis in das kleinste 
Detail der Besteuerung durchschauen lerne. Wir haben dazu 
die Branntweinsteuer erwählt, weil sie der Tragbalken der ganzen 
Steuerreform ist. Wir hätten ebensogut eine andere indirekte Steuer 
gattung oder auch eine direkte, wie die Grundsteuer, herausgreifen 
können. Vielleicht kommen wir dazu ein andermal. Wir können uns 
bei den anderen Steuern kürzer fassen. Jeder Leser aber wird zu dem 
Schlüsse gekommen sein: 
Die Branntweinsteuer mitsamt ihrem Liebesgabensystem muß 
fallen — oder die Parteien, die sie bewilligen, sind keine Volksparteien, 
das Parlament, das sie beschließt, ist kein Volksparlament, sondern eine 
Klassenvertretung, welche die Wählerschaft, sobald als Gelegenheit 
sich bietet, ersetzen und verbessern muß im Wege besserer Neuwahlen! 
6. 
Die Biersteuer. 
Die zweitwichtigste der Getränkesteuern trifft das Bier. Kory- 
lowski hatte sich bloß mit der Erhöhung der Branntweinsteuer be 
gnügt. Bilinski erkannte die Ungerechtigkeit, die darin gelegen wäre, 
den Branntweintrinkern allein die ganze Last der neuen Steuern 
aufzubürden, während die im Durchschnitt wohlhabenden B i e r- und 
Weintrinker von jeder Mehrbelastung frei bleiben. In der Tat 
müssen, wenn schon eine Getränkesteuer angezogen wird, die anderen 
mitfolgen, wenn nicht die Staatsbürger und Staatsgebiete ganz un 
gleich belastet werden.sollen; der Motwenbericht folgt also „der Ueber- 
legung, daß die Branntweinsteuer keineswegs von derGesamt- 
h eit der Bevölkerung getragen wird (sondern nur von den Aermeren 
der nördlichen und östlichen Kronländer), daß ferner die Interessen 
wichtiger Produktionszweige mit der Branntweinsteuer verknüpft sind 
(Kartoffelbau und Viehzucht), daß es daher wirtschaftspolitisch wohl 
nicht zu rechtfertigen wäre, eine noch höhere Steuerlast in ziemlich 
einseitiger Weise einzelnen bestimmten Kreisen der Bevölkerung auf 
zubürden". Bilinski Hütte also — wenn er ehrlich diesem Gedanken 
gefolgt wäre — beim Trunk der Aermsten, beim Branntwein, weniger 
als Korytowski fordern, beim Trunk der Bessergestellten, beim Bier 
und beim Wein, dafür eine entsprechende Erhöhung eintreten lassen 
müssen. Er forderte beim Branntwein dasselbe, beim Bier sehr
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.