Volltext: Der österreichische Staatshaushalt und die Steuerreform (Teil II. / 1909)

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konsum interessiert. Das sind 1. die Gastwirte und Kleinverschleißer 
des Alkohols, aber weit mehr noch 2. die Weinhändler, Bierbrauer 
und Schnapsbrenner, ferner 3. die Weingutsbesitzer und Weinbauern, 
die Gerstenproduzenten und die Kartoffelbauern. Ein großer Teil 
des Ackerbodens unserer Monarchie dient heute nicht der Viehzucht und 
Brotgewinnung, sondern zur Erzeugung von Rohstoffen für Getränke. 
Es gibt Alkoholagrarjer wie es Alkoholindustrielle und Alkoholkauf 
leute gibt. Sie bilden zusammen das Alkoholkapital, welches gewal 
tige Profite aus den Getränkekonsumenten herausschlägt. In diese 
Ausplünderung der Massen teilen sich der Staat und das 
A l k o h o l k a'p i t a l. Sie haben einen schändlichen Pakt miteinander 
geschlossen, den man verstehen muß, um die ganze Verderblichkeit 
unserer Getränkesteuern zu verstehen! 
8. 
Die Branntweinsteuer. 
Das rapide Anwachsen der Branntweinsteuer. 
Will der Staat mit der Branntweinsteuer wirklich das Volk 
moralisch bessern? Wollte und könnte er das, so hätten die bisherigen 
Steuererhöhungen wahrlich genügt. Für den Hektoliter reinen Alkohols 
wurden vom Jahre 1878 an bloß 22 Kr. eingehoben. Im Jahre 
1888 wird das L i e b e s g a b e n s y st e m ausgebildet, von dem wir 
sogleich sprechen werden; indem der Staat dem Alkoholkapital Mil 
lionen in den Rachen wirft, erhöht man den Steuersatz von 22 Kr. 
auf 70 Kr. Mit der verfassungswidrigen § 14-Verordnung vom Jahre 
1899, die durch das Blutbad von Graslitz denkwürdig geworden ist, 
steigt der Satz von 70 Kr. auf 90 Kr. Anläßlich der zweiten Ab 
speisung der Kronlünder im Jahre 1901 unter Koerber wird der 
Betrag von 90 Kr. auf 110 Kr. erhöht. Kor.rstowski und Bilinski 
wollen ihn auf 140 Kr. emportreiben, also auf das Doppelte 
des Betrages vor 1901. Wann und wo ist es vorgekommen, daß 
man eine Steuer innerhalb acht Jahren verdoppelt und innerhalb 
30 Jahren versiebenfacht? Denn seit 1888 würde das ein Anwachsen 
um 036 Prozent ausmachen. 
Diese Steuersätze treffen jedoch nur den von den begünstigten 
Brennereien hergestellten Kontingentspiritus — was das ist, werden 
wir sogleich erfahren — der übrige zahlt bisher um 20, in Hinkunft 
um 24 Kr. mehr, somit heute 130 und später 164 Kr. Der Preis 
im Detailhandel bildet sich nach dem höheren Steuersatz, diesen 
höheren Betrag trägt der Konsument immer. Wieviel 
macht er im Detail aus? Wir müssen dabei zwischen dem reinen 
Alkohol, der als starkes Gift nicht trinkbar ist, und dem Trink 
branntwein unterscheiden. 
Der Trinkbranntwein enthält neben seinem Hauptbestandteil 
Wasser nur einige Prozentteile Alkohol. Man unterscheidet einfachen
	        
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