Volltext: Allgemeine Einführung in das Steuerwesen (I. Teil /1909)

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Worwort. 
Mit schweren Lasten suchen wieder einmal die Regierungen der 
Staaten ihre Völker heim. Die Not der Massen ist groß, noch größer 
aber ist der leichtfertige Uebermut der Herrschenden. Erst haben sie 
ganz Europa mit dem Schrecken der Kriegsgefahr erfüllt: Durch 
Monate zitterten die Mütter um ihre Söhne, es schien, daß Oester 
reich und Rußland, Deutschland und England, Bulgarien und die 
Türkei, daß das europäische Festland und Europas Meere der Schau 
platz eines ganz ungeheuerlichen Mordens werden müßten! 
Wie vom Alpdruck erlöst atmeten Millionen Familien auf, als 
diese Gefahr an uns vorübergegangen. 
Aber an dem bescheidenen Tisch der Proletarierbehausung ist 
' der freundliche Genius der Sicherheit ein flüchtiger Gast, dafür hält 
die Sorge ständige Einquartierung. Kaum war die Kriegsgefahr ge 
schwunden, so besannen sich die Staatsmänner auf neue Kriegs 
rüstungen. Neue Staatsschulden und neue Steuern in allen Ländern! 
Das Deutsche Reich fordert eine halbe Milliarde neuer Reichssteuern. 
England reformiert seine Finanzen, Rußland macht neue Schulden. 
Und auch die österreichische Regierung Bienerth hat durch ihren 
Finanzminister Bilinski eine lange Reihe neuer Steuern gefordert. 
Diese Steuern sollen in Oesterreich wie in Deutschland auf die 
geduldigen Rücken der arbeitenden Massen gewälzt werden, während 
sich die Besitzenden steuerfrei zu halten suchen. Sie haben nur einen 
Wunsch an die Regierung: Laß uns unseren täglichen Profit und ver 
steuert den Massen das tägliche Brot, den täglichen Trunk! 
Wieder geht in ganz Europa die Steuerfeme um, nachdem die 
Kriegsfurie sich emstweilen verkrochen. Die Steuern stehen allenthalben 
auf der Tagesordnung. Und darum ist es notwendig für jeden, über 
das Steuerwesen im allgemeinen und über die Abgaben in seinem 
Lande sich zu belehren. Diesem Bedürfnis soll dieses Schriftchen 
entsprechen. Es ist gemeinverständlich gehalten, aber es verzichtet 
nicht darauf wissenschaftlich zu sein. Manche neue Auffassungen sind 
darin ausgesprochen, welche erst später in streng theoretischer Weise 
begründet werden können. Denn die Sache drängt, die Steuerfrage 
ist heute schon die Angelegenheit der Volksmassen und keine bloße 
Doktorfrage mehr. Das kämpfende Proletariat in der Abwehr der 
neuen Steuern zu unterstützen, ist die nächste Aufgabe dieser Arbeit. 
Sie behandelt das Steuer- und Staatsschuldenwesen über 
haupt, die verschiedenen Arten der Besteuerung und ihre Entwicklung. 
Eine zweite, besondere Arbeit soll den österreichischen Staatshaushalt, 
seine Entwicklung und die Bedeutung der neuen Steuervor- 
lagen untersuchen. Das vorliegende Schriftchen mag als Versuch 
einer Einführung in die Finanzwissenschaft nach sozialistischer Auf 
fassung gelten.
	        
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