Volltext: Allgemeine Einführung in das Steuerwesen (I. Teil /1909)

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unerhörten System entwickelt und ihnen beinahe den ge 
samten Betrag der Staatsbedürfnisse aufgebürdet."*) 
Die systematische Aufnahme und Ausbildung der indirekten 
Steuern erfolgt im 17. und 18. Jahrhundert zugleich mit dem Auf 
stieg der Bourgeoisie.**) Dieser vollzog sich auf dem Festland unter 
der Herrschaft des absoluten Fürstentums, das, wie wir gesehen, der 
Besteuerung der Reichen nicht abhold war, das in erster Linie 
— aus seinem Klasseninteresse auf eine militärdienstfähige Be- 
völkerungsmasse bedacht war. Sofort in den Anfängen dieser 
Besteuerungsart erkennen einsichtige Staatsmänner, daß diese Steuer- 
auf die Verelendung der Massen und die Entlastung der Reichen 
hinwirkte. Einer der größten Militärs, der genialste Festungsbau- 
meister Marschall Vauban (1707), und vor ihm einer der ältesten 
Oekonomen, der Generalleutnant Boisguillebert (1697), weisen „mit 
der edelsten Wärme beredter Leidenschaft" die unheilvolle Wirkung 
der indirekten Steuern aus Leben und Gesundheit der Massen in 
Denkschriften an ihren König nach, der „ja doch nichts anderes wolle, 
als bezahlt sein und soviel Geld als möglich empfangen", und darum 
gerechterweise die Steuer bei den Besitzenden holen solle. Aber schon 
waren die kapitalistischen Interessen übermächtig. Der Protest gegen 
die indirekten Steuern flüchtet sich in die Theorie, die Bourgeoisie 
betritt die Bahn der Herrschaft und kümmert sich nicht mehr um die 
Stimmen der ehrlichen Ideologen, welche seither durch 200 Jahre 
einmütig die indirekte Besteuerung verdammt haben. Mit dem Nieder 
gang der bürgerlichen Wissenschaft sind auch diese beinahe stumm ge 
worden. Und seither hat die herrschende Bourgeoisie sich offen — 
man sehe nur auf den konservativ-klerikalen Block in Deutschland! 
— zu einer neuen „einzigen" Steuer bekannt, zum Prinzip der 
ausschließlichen „indirekten Steuer!"^) 
Ferdinand Lassalle geht noch weiter in der Kritik der bürger 
lichen Steuerpolitik. Trotz der Vorliebe der Bürgerlichen für indirekte 
Steuern sind doch aus der absolutistischen Zeit, wo die Fürsten noch 
ein Interesse hatten, die Reichen zu besteuern und die Armen zu 
schonen, direkte Steuern überliefert, an deren Abschaffung die Bour 
geoisie nicht denken kann. Obwohl also unzweifelhaft direkte Steuern 
von Kapitalisten bezahlt werden, behauptet Lassalle, daß sich die b e- 
sitzende Klasse im ganzen das Privileg der Steuerfrei 
heit ebenso zu sichern wußte, wie Kirche und Adel im Mittelalter. 
Nicht geleugnet werden kann, daß die einzelnen Kapitalisten 
unter Umständen beträchtliche Steuersummen in die Staatskassen 
*) Lassalle : „Arbeiterprogramm." Diese und die vorzitierte Schrift Lassalles sei allen 
Genossen aus Anlaß der bevorstehenden Steuerkämpfe in Erinnerung gerufen. Beide Bro 
schüren sind heute noch so aktuell wie bei ihrem Erscheinen. 
**) In Oesterreich war wohl die erste staatliche Verzehrungssteuer der im Jahre 155(> 
vorübergehend eingehobene Aufschlag auf Wein, Mehl, Fische und dergleichen zur Beihilfe 
gegen die Türken. 
f) Der englische Liberalismus macht darin eine Ausnahme; tatsächlich sind es die 
Massen von Arbeiterstimmen, mit denen die englischen Liberalen gewühlt sind und ihnen Rück 
sicht aufzwingen. Uebrigens findet die auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung angekommene 
Bourgeoisie, wie wir später hören werden, selbst in den indirekter: Steuern Nachteile.
	        
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