Volltext: Allgemeine Einführung in das Steuerwesen (I. Teil /1909)

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Die Klasse der adeligen und kirchlichen Grundbesitzer entgegnete 
darauf wie immer, wenn ihre Parasitenstellung den Massen denun 
ziert wurde, mit der Gegendenunziation: das Handels- und 
Wucherkapital verzehre alle Ueberschußprodukte der menschlichen 
Arbeit; das sogenannte mobile Großkapital und sein Thron 
sitz, der G i f t b a u m der Börse, vor allem der Handel und 
Wucher treibende Jude, sei zu besteuern.^ In diesem Kampfe erinnert 
sich die Nachkommenschaft der Feudalen daran, daß früher die Kirche 
das Zinsennehmen verboten, daß die alten Kirchenväter grimmig 
gegen Handel und Wucher gewettert, und fordern Kleinbürger, Bauern 
und Arbeiter zum Sturm gegen die Ausbeutung durch den bösen 
Mammon. 
In der Zeit, wo die einfache Warenproduktion zur kapitalistischen 
fortschritt, wo das entstehende Industriekapital die Maschinerie und 
die Dampfkraft zur Ausbeutung der Proletarier und zur Proletari 
sierung des Handwerks in Bewegung setzte, vereinigte sich mit der 
feudalen Kritik die kleinbürgerliche. Nun wird auch der bürger 
liche und honette industrielle neben dem kommerziellen Profit als 
Ausbeutung erkannt. (Sismondi.) An diese Richtung schließt sich all 
mählich der feudale und christliche „Sozialismus" an. (Rodbertus 
und bei uns Vogelfang.) 
So haben nacheinander in ihrem Kampfe der bürgerlichen 
Klassen selbst dem Proletariat so ziemlich alle Quellen der Aus 
beutung denunziert: Jede blind gegen die eigene, durch den Haß und 
Neid scharfsichtig gegen die fremde Ausbeutung, so hat „einer von 
den Lumpenhunden den anderen" moralisch abgetan. Und so haben 
Grundeigentum und „mobiles Großkapital", Grundsteuer und Kapital 
steuer ihren Klassenkamps geführt. 
Aber schließlich waren sie doch in einem eins: alle zu 
sammen Ausbeuter der Arbeit, mußten sie die einigende Formel gegen 
das Proletariat finden und fanden sie. 
Zuerst in England, dem fortgeschrittensten Industrieland jener 
Zeit. Adam Smith legt den Grund zur bürgerlichen S t e u e r l e h r e, 
indem er alle Quellen der Besteuerung nebeneinander ent 
wickelt und gleichstellt. „Die Angehörigen aller Klassen haben nach 
Maßgabe ihrer Fähigkeit zu steuern, das ist im Verhältnis zum Ein 
kommen, das sie unter dem Schutze des Staates für ihr Eigentum 
beziehen." (Die 1. Steuermaxime des Adam Smith.) 
Also Gleichheit aller herrschenden Klassen fies Bürgertums 
in Ansehung der Steuer — das ist von da an das theoretisch an 
erkannte Steuerprinzip des Kapitalismus in Bezug auf die Herr 
schenden. Es wurde insbesondere von Will nach theoretisch schärfer 
formuliert. Die Steuer soll ebenmäßig auf alle Produktionszweige 
verteilt werden, so daß sie keinen begünstige, keinen benachteilige: 
die Steuer soll uninteressiert sein, die Steuerlast, die 
alle Bürger tragen, soll nur dem Staat, nie aber privaten 
I n t e r e s s e n dienen (wie es zum Beispiel unsere Liebesgaben an 
die Branntweinbrenner tun). Der Staat soll sich auch nicht durch
	        
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