Volltext: Allgemeine Einführung in das Steuerwesen (I. Teil /1909)

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entrichtet. Eine neue Kapitalistenart tritt auf, die nicht mehr produ 
ziert, ja nicht einmal mit Waren hantiert, die das Geldkapital zu 
seiner Ware gemacht hat, der Z i n s k a p i t a l i st. (Der Finanzmann, 
der Finanzielle, Geldverleiher, Wucherer.) Er leiht an Produzenten 
wie an Kaufleute: Vom Profit spaltet stch zuerst der Zins ab. 
2. Jedes Unternehmen bedarf ein Stück der Erdoberfläche. Zu 
mindest als Standort, oder zur Gewinnung von Rohstoffen 
(Bergwerke), oder zur Erzeugung von Roh- und Nährstoffen (Land 
wirtschaft). Aber der Boden ist in festen Händen. Der Eigentümer 
des Bodens kann, bloß weil er als Eigentümer im Grundbuch steht, 
für die Ueberlaffung des Landes an einen Unternehmer von diesem 
einen Anteil an seinem Profit fordern. So verpachten die Groß 
grundbesitzer ihre Meierhöfe, so verpachtet das Stift Klosterneuburg 
in Floridsdorf Baustellen auf 90 Jahre an Bauunternehmer. Der 
Grundeigentümer bezieht also — ohne Produktion, ohne Handel, 
selbst ohne Hingabe von Werten, bloß weil ihm die Gesetze das 
Monopol auf ein Stückchen dieses Erdballs einräumen — einen An 
teil an dem Erträgnis des Unternehmens, einen Teil des Profits, 
den man Rente oder Grundrente nennt. 
3. Erst jener Teil des Profits, den der Zins und die Rente nicht 
verzehrt haben, verbleibt dem industriellen und kommerziellen Unter 
nehmer und ist der eigentliche Unternehmergewinn oder 
Profit im engeren Sinn. — Wie der Unternehmer die Arbeiterschaft 
ausbeutet, so beutet ihn selbst der Finanzmann und Grundeigen 
tümer weiter aus.*) 
Profit, Zins, Rente — das ist die Dreieinigkeit des Kapitals, 
ein Gott in drei Gestalten, in denen der den Arbeitern entpreßte 
Mehrwert sich verkörpert. Alle drei geben dem Kapitalisten ein E i n- 
kommen ohne eigene Arbeit, ein sogenanntes arbeits 
loses Einkommen. Dabei unterscheiden sie sich untereinander noch 
sehr. Nicht nur keine Arbeit, sondern überhaupt keine wirtschaftliche 
Funktion erfordert der Bezug der Grundrente, er erfolgt ohne Mühe 
und Risiko. Darum ist die Klasse der großen Grundbesitzer und 
Hausherren die vornehmste — sie ist ja die müßigste. Sie stellt den 
Adel in Stadt und Land. — Einiges Risiko bringt das gewerbs 
mäßige Geldverleihen mit sich, es fordert Umsicht, Schlauheit und 
Rücksichtslosigkeit. Darum ist der Zinskapitalist den Bürgerlichen 
moralisch etwas anrüchig, ein Wucherer, aber immerhin hoch ge 
wertet, wenn er nur viel Geld verdient hat. — Den Pöbel des 
Bürgertums stellen die industriellen und kommerziellen Unternehmer 
dar. Auch ihr Einkommen fließt nicht aus eigener Arbeit, sondern 
aus jener ihrer Arbeiter. Aber sie müssen sich betätigen: Waren 
*) Die Umwandlung von Mehrwert in Profit, Zins und Rente schildert der III. Band von 
Marx' Kapital. Die christlichsozialen „Arbeiters haben auf ihrem letzten Parteitag sehr gegen 
Zins- und Bodenwucher gewettert und tun auf einmal so, als hätten sie die Grundrente 
entdeckt, während diese selbst von dem „jüdischen Manschesterliberalen" Ricardo zuerst systematisch 
dargestellt wurde. Für dje Herren Kunschak und Orel ist es charakteristisch, daß sie plötzlrch 
die Ausbeutung der Unternehmer durch Zins und Rente entdecken, während für sie die Aus 
beutung der Arbeiter durch die Unternehmer noch ein unbekanntes Land zu sein scheint.
	        
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