Volltext: Heimat

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Das stille Fest. 
Es war zwischen Ostern und Pfingsten, in der ersten Zeit des 
Frühlings, in welcher die Jugend ihre herrlichsten Liebesfeste feiert. 
Die linden Lüfte verraten es den Blumen, dass die Sänger und 
Schmetterlinge in das Land gezogen; die ersten Veilchen aber und 
der schöne Enzian sagten der »blühenden Jungfrau« Worte heisser 
Sehnsucht, duftende Grüsse von dem lieben Gespielen, der erst noch 
Kind, nun von allen Seligkeiten und Qualen des Lebens spricht wie 
ein Erfahrener und Weiser. Das sind Frühlingsoffenbarungen, so rein 
und klar wie Sonnenlicht, duftend, wie der Atem der Blumen, für 
die Jugend aber vielsagend: wie Deutungen der tiefsten Lebensrätsel. 
Auch mir hatte es der Lenz angetan. Ich rezitierte auf Feld 
und Anger Heines Lied vom »wunderbaren Monat Mai« .... ich 
suchte nach Veilchen, band sie zum Sträusslein und sagte mir ganz 
leise einen Namen vor, so süss und weich wie Frühlingsluft. 
Ich weiss nicht einmal, ob mir irgend jemand auf meinem Wege 
begegnete, oder ob ich vor der Dorfkapelle den Hut zog; nur eines 
ist mir deutlich, ich wollte mich nicht aus meinen Träumereien stören 
lassen, da ich mich anschickte, meiner Seele ein Fest zu bereiten, 
vornehm und einfach, wie sie bisher keines gefeiert. Sie sollte mit 
Hedda ganz allein sein . . . 
Da schlug der Klang der Kirchenglocken an mein Ohr, erst 
leise, dann immer stärker und unheimlich lange. Ich dachte, man 
läute einen Toten ein. Als ich aber der Dorfstrasse zuschritt, sah 
ich einen Zug festlich geschmückter Menschen. Voran gingen fünf 
oder sechs Musikanten, die in grellen Dissonanzen den Hoch Habs 
burgmarsch herunterbliesen, bis sie an die Kirche kamen. Rock und 
Hut hatten sie mit künstlichen Blumen geschmückt. Jungfrauen und 
Weiber rauschten in seidenen Gewändern daher. In der Mitte des 
Zuges ging eine im weissen Schleier und im Myrtenkränze. 
Eine Braut. — Ein Hochzeitszug. 
Die Festgeschmückten traten in die Kirche. 
Ich ging in schnellen Schritten dem Walde zu. Im Frühlings 
sonnengold lag er vor mir. Die Wipfel der Tannen wiegten sich im 
lichten Blau des Himmels, die feinen Nadeln glänzten und flimmerten 
wie Millionen winziger Kerzenlichter. Ich dachte an die Kirche, an die 
Braut, den Priester und — an Hedda und das Fest meiner Seele. 
Der kleine Abgott ging mir bis an den Saum des Waldes entgegen.
	        
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