Volltext: Österreich und der Krieg

Nicht so gleichgiltig ist es, daß der Österreicher selbst 
seinen Wert nicht einzuschätzen weiß; sein Selbstvertrauen ist 
dadurch gemindert und die Kraft, die aus dem Selbstvertrauen 
fließen soll. Der Österreicher kennt sich selber nicht, und das 
hängt damit zusammen, daß er seine Geschichte nicht versteht, 
in der sein Wesen gebildet wurde. Österreich ist aus vielen 
Stücken zusammengewachsen, deren jedes seine Eigengeschichte 
hat, die es mit Liebe pflegt. Diese Stücke sind nicht alle srei- 
wMg zusammengewachsen, gerade die größten von ihnen sind 
widerstrebend zusammengefaßt worden, und ihre Teilgeschichte 
widerstrebt daher der Gesamtgeschichte des Reiches. Überhaupt 
aber liegt etwas im Wesen des Österreichers, was ihn hindert, 
mit seiner Geschichte Staat zu machen; selbst hier in Wien, in 
der Reichshauptstadt, die durch den Ausbau des Reiches selbst 
mitausgebaut wurde, sind die großen Ereignisse unserer Ge¬ 
schichte nicht in der Weise lebendig erhalten worden, wie wir 
dies in anderen Hauptstädten sehen. Aus der Zeit der Türken¬ 
siege und Franzosensiege erzählen uns nicht, wie dies überall 
sonst der Fall wäre, Denkmäler oder die Namen von Straßen 
und Plätzen von den siegenden Helden; was wir davon be¬ 
sitzen, hat erst die Regierung unseres Kaisers nachgeholt. Im 
Volke selbst leben die Helden unserer Geschichte, von der Legende 
abgesehen, die sich um gewisse Lieblinge schlingt, vor allem im 
Liede fort, wie es gerade der Zufall geschaffen hat, so daß 
wir vom Prinzen Eugen singen, dem edlen Ritter, dagegen 
nicht vom Sieger von Aspern. Sollte ein Österreicher das 
Wesen Österreichs und des Österreichers definieren, so würde 
er auch dies wohl am besten durch eine musikalische Beziehung 
tun, er würde etwa sagen, Österreich sei der Staat, dessen Wesen 
den Meister der „Schöpfung" und der „Jahreszeiten" zu seinem 
Meisterliede, der Volkshymne, begeisterte, und Österreicher sei 
jeder, der durch die Volkshymne im Innersten ergriffen werde.
	        
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