Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1908 (1908)

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Da ging ein Leuchten über das Gesicht des Engleins und es warf sich ein 
duftiges, hellblaues Kleid um und stieg auf derselben Leiter, wie eine gute Weile 
vorher das Todesenglein, zur Erde nieder und schwebte in die Hütte, wo so viel 
Trauer und Schmerz war. Dort legte es sein Händchen auf die Stirn des Mannes, 
legte sein Händchen auf die Augen der Kinder, trocknete ihnen die Tränen, linderte 
ihren Schmerz und träufelte Balsam auf ihre wunden Seelen und senkte Trost in 
ihre Herzen. In der Brust des Mannes wurde es ruhiger und auch die Kinder 
weinten nicht mehr. Dann flog das Trostenglein wieder zur Himmelshöh. Der liebe 
Gott hob es empor, küßte es und freute sich, daß es so gut seines Amtes gewaltet habe. 
Seit jener Zeit gibt es Todesenglein und Trostenglein, die der liebe Gott in 
seiner Güte und Weisheit erschaffen hat. 
Stumm hatten wir Kinder dem Großvater gelauscht. Dann nahmen uns die 
Großen bei der Hand und führten uns hinein. Und auch der traurige Manu, dem 
sie an diesem Tage das Weib begraben, nahm seine Kinder. 
Wortlos drückte er dem Großvater die Hand: „Wie Gott will, sagte der Alte, 
wie Gott will." 
Helf' Gott! 
Zur Geschichte des Nieseus gibt Professor Karl Knortz in seinem soeben 
erschienenen Werkchen „Amerikanische Redensarten und Volksgebräuche" einige inter¬ 
essante Daten. Die Griechen schrieben dem Niesen große Wichtigkeit zu. Ihr dabei 
gebrauchter Zuruf „Hilf Gott" hat sich bis heute erhalten. Die Entstehung des 
Niefens führen sie auf Prometheus zurück. Als derselbe nämlich einen Menschen 
aus Tonerde geformt hatte und ihm Leben einhauchen wollte, stahl er der Sonne 
ein Rohr voll Strahlen und hielt dasselbe seinem Bildwerke vor die Nase, worauf 
es zu niesen anfing. Dieses erste Lebenszeichen wurde vom Prometheus freudig 
begrüßt und seit dieser Zeit wurde der Sage nach mit dem Niesen der Wunsch für 
die Erhaltung des Lebens verknüpft. Aristoteles erzählt, daß die Aerzte oft ver¬ 
suchten, ihre Patienten zum Niesen zu bewegen, weil sie darin eine Erweckung der 
Lebenskraft erblickten. Als Penelope den abwesenden Ulysses zur Bestrafung der 
Frechlinge herbeiruft, beniest dies Telemach zur Bekräftigung. In der Anabasis wird 
erzählt, daß, als Lenophon die Armee anredete, jemand in seiner Nähe niste; dies 
betrachtete der Feldherr als gutes Omen. Die Schottländer sagen das Wetter aus 
dem Niesen voraus und die baltischen Fischer huldigen dem Glauben, daß Niesen 
zu Weihnachten Glück bringe. Nach Ansicht der Schottländer steht ein Kind so 
lange unter dem verderblichen Einfluß der Feen, bis es genießt hat. Der Glück¬ 
wunsch beim Niesen soll nach einer talmndischen Tradition auf den Erzvater Jakob 
zurückzuführen sein. Vor ihm starben nämlich die Leute nicht an Krankheiten, sondern 
sie nisten einmal nnd dann waren sie tot. Jakob betete um Abschaffung des schnellen 
Todes und sein Wunsch wurde ihm unter der Bedingung gewährt, daß von nun an 
alle Nationen beim Niesen „Gott helfe Dir" sagen sollen. Die alten Römer pflegten 
beim Niesen „Salve" zu sagen, die neueren sagen „Felicita!", die Inden „Zur Ge¬ 
nesung!", und im allgemeinen sagt man „Prosit!" oder „Helf' Gott!"
	        
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