Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1907 (1907)

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ferne Grollen des Donners. Ein Gewitter im Walde! Schrecklicher Gedanke für das 
arme junge Mädchen. Aber was war zn tun ? Um Hilfe rufen? Nein, Zigeuner 
und Raubgesindel sonnten dadurch auf die Verirrte aufmerksam werden. Hnh, tote 
schaurig war diese Einsamkeit! Da bewegt es sich m den Zrmlgen. Em Mann. ein 
aroller starker Mann mit einer Flinte bricht sich durch das Buschwerk. Erna stoßt 
einen entsetzten Schrei aus und versucht zu fliehen. Aber da läuft sie ,« gerade auf 
den Mann mit dem Gewehr zu. Sie will vor ihm niederfallen und um Erbarmen 
flehen. Er lächelt und sagt mit einer wohltönenden Stemme: „ängstigen Sie sich 
nicht mein Fräulein! Ich bin ein harmloser Jägersmann. Siegfried heiße ich. Sie 
sind'offenbar verirrt. Darf ich Sie bitten, mir in meine Hütte zu folgen? ^ Dort 
müßen Sie das Gewitter abwarten, das gleich mit Gewalt hereinbrechen wird. Erft 
jetzt sah Erna, daß der junge Jäger ein recht hübsches, gutes, vornehmes Gesicht 
hatte, und es wurde ihr klar, daß sie nichts Böses von chm zu befurchten hat . 
Aber mit ihm in seine Hütte gehen? Nein, sie lehnte das dankend ab und sag , 
sie würde zur Station eilen und dort ein Unterkommen suchen. Er lachte, und dabei 
ah sein blasses edles Gesicht so recht treu und bieder aus: Das wird Ihnen nicht 
gelingen mein Fräulein. Bitte, folgen Sie mir. Ich hause nicht allem in der Hütte. 
Ein rechtschaffenes altes Mütterlein wird Sie in Schutz nehmen. Da durchzuckte 
ein greller Blitz das schwefelgelbe Firmament, und ein gewaltiger Donnerschlag 
durchdröhnte zugleich die schwüle Luft. Erna stieß einen Schrei aus und ergriff 
ängstlich des Jägers Hand. Ohne weitere Widerrede folgte sie ihm m fern schlichtes, 
«eines Häuslein Eine alte, saubere Frau sah ihnen neugierig entgegen. Sie hieß 
Erna herzlich willkommen und deckte sofort m der ßehr niedrigen, nur auf das Aller- 
notwendigste mit Mobilien ausgestatteten Stube den Tisch- . 
Das Gewitter war vorüber und der wolkenbruchartige Regen hatte nachge¬ 
lassen. Siegfried öffnete das Fenster und eine herrliche, starke, würzige Luft erfüllte 
Erna merkte im Laufe der immer lebhafter werdenden Unterhaltung baß kr 
iunae Jäger in der schlichten Waidmannstracht durchaus kem ungebildeter Mann 
war SK staunte geradezu über seine Kenntnisse, sein Wissen und sein kavaliermäßiges 
Renebmen Nie hatte sie einen so taktvollen, geistreichen, interessanten Menschen 
kennen gelernt. So feinfühlend war er. Sie faßte sehr schnell volles Vertrauen zu ihm, 
das konnte gar nicht anders sein, es kam ganz von selber, ste erzählte ihm 0 
ihrem kranken Vater, ja sogar, in vielleicht allzugroßer Geschwätzigkeit, von dem 
unaetreuen Juqendqespielen. Er hörte alles mit großem Interesse an, was das junge 
Mädchen ihm da ?n kindlicher Naivität vorplauderte. Er verstand Ema zu trösten 
wie es noch nie jemand verstanden hatte. Als die Sterne am dunkelblauen Himmel 
flammten da sagte der Jäger: „Mein Fräulein, Sie werden mude fern nach all dem 
Erlebten.' Nehmen Sie vorlieb mit dem bescheidenen Nachtquartier, daslch ehrten 
bieten kann. Schlafen Sie süß hier in der Einsamkeit und furchten Sie nichts, denu 
id) ^Di?alte Francs war die Witwe von Siegfrieds Vorgänger, führte sie nach 
dem Hausboden. Da befand sich zwischen duftendem Heueinganz klewesKammerlem 
mit einem weichen Mooslager und einigen Decken. Nachdem auch die Rite dem 
Stadtfräulein" herzlich eine gute Nacht gewünscht, legte dieses sich, totmude, Hur 
Mhe Aber es währte lange, trotz Müdigkeit und Mattigkeit, bis Erna enßchllef. 
Der Jägersmann beschäftigte ihre Lregte Phantasie viel zu Noch«i Mor^m 
.. rirt ibr fjerr nie nie wieder lieben sonnte, unv jegt, jetzt 
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