Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1907 (1907)

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Dieses alles sprudelte die junge Dame fast in einem Atem hervor, sie wollte 
sogleich noch mehr hinzufügen, indessen, da gerade Herr Burkhardt eintrat, mußte 
sie sich unterbrechen, um sich diesem vorstellen zu lassen. 
„Wie finden Sie den Patienten?" fragte Fräulein Branton den Eingetretenen. 
„Wird er bald zu uns zurückkehren können?" 
Der Medizinalrat warf einen Blick auf das finstere Gesicht Arnos, er erkannte 
deutlich, wie lästig diesem der Besuch war, der ihn anfzuregen schien. 
„Na, ich denke, daß unserem Kranken Ruhe vor allem not tut," sagte Burk¬ 
hardt trocken. 
Fräulein Branton schien den deutlichen Wink nicht verstanden zu haben, sie 
ließ sich nicht beirren, sondern plauderte in ihrer affektierten Weise ohne Unter¬ 
brechung weiter, bis Burkhardt dem Vater Arnos zuflüsterte: „Ich bitte Sie, ent¬ 
fernen Sie doch diese lästige Schwätzerin, die taugt nicht in eine Krankenstube, sehen 
Sie denn nicht wie erregt Ihr Sohn ist?" 
Als Herr von Ried mit seiner Begleiterin, die versprochen hatte, recht bald 
wiederzukommen, das Zimmer verlassen hatte, polterte der Medizinalrat los: „Jawohl, 
— die kann lange warten, bis sie hier wieder hereinkommt. So ein schwatzhaftes 
Frauenzimmer ist mir noch gar nicht vorgekommen. Wer ist denn dieses Gänschen? 
Die kann ja einen gesunden Menschen nervös machen, nun erst einen kranken! Solche 
Besuche muß man sich einfach verbitten!" 
Arno atmete erleichtert auf, als sich die Türe hinter dem Fräulein ge¬ 
schlossen hatte. 
„Können Sie sich etwas Schlimmeres vorstellen, als das Bewußtsein, ein 
ganzes Leben lang an ein solches Geschöpf gefesselt zu sein, Herr Medizinalrat?" 
fragte der junge Mann düster. 
„Brrr, — um Gotteswillen, was sagen Sie da!" rief Burkhardt, von seinem 
Stuhl aufspringend, mit allen Zeichen des Entsetzens „Sie können doch unmöglich 
einen solchen Gedanken haben?" 
Marianne war sehr blaß geworden, ihre Augen richteten sich groß auf den 
Kranken, der es vermied, ihrem Blicke zu begegnen. 
„Und doch wird es so kommen müssen," fuhr Arno traurig fort, „es gibt 
für mich keinen Ausweg mehr, begreifen Sie nun, was mich quält? Was mich so 
elend macht? Früher ertrug ich den Gedanken wohl leichter, — aber — jetzt —" 
Er unterbrach sich und blickte zu Marianne hin. Burkhardt hatte es wohl 
bemerkt. 
„Und warum muß es so sein?" fragte er teilnehmend. 
Der Kranke schüttelte den Kopf: „Lassen wir das!" 
„Seien Sie doch offen zu mir," bat Burkhardt, „was zwingt Sie, dies Mädchen 
sich zu erwählen, wenn Sie es nicht lieben?" 
„Mein und meines Vaters Elend, unser Unglück!" 
„Aber bitte, erzählen Sie doch, ich verstehe noch immer nicht!" 
„Die Geschichte ist doch einfach," lächelte der junge Mann bitter. Jene besitzt, 
was mir fehlt: Geld! Sie strebt darnach, ihren bürgerlichen Namen mit einem 
adeligen zu vertauschen, und in diesem Bestreben wird sie von ihrem Vater, der durch 
glückliche Spekulationen riesige Summen verdiente, unterstützt. Unser Gut ist 1 ver¬ 
schuldet, mit Hypotheken belastet, Unglück häufte sich auf Unglück, Viehseuchen, Mi߬ 
ernten, Hagelschlag, — alles kam auf einmal, ich setzte meine ganze Kraft ein, das 
Aergste zu verhüten, — aber es kam, wie es kommen mußte: Wir mußten Geld zu 
hohen Zinsen aufnehmen, deshalb konnten wir uns nicht mehr heraushelfen."
	        
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