Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1907 (1907)

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tofiff er und gab seinem Diener die widersprechendsten Befehle. Jetzt trat er an den 
Spiegel. »Diable! ich sehe nicht besonders gut aus heute morgen," rief er. Er war 
sehr spät nach Hanse gekommen. Ein kleines Spiel hatte ihn so lange aufgehalten. 
Nun sah er etwas angekränkelt aus! — „Nun, ich werde doch bei dem Gold- 
käferchen Erfolg haben. Ah, mein Gedicht! Es schneit noch immer; Schneeflocken! 
Parpleu! und was für große Flocken!" Jetzt besprengte er seinen Frack mit Lau 
de mille fleurs, jetzt ergriff er seinen Zylinderhut, jetzt fuhr er m seine Galoschen, 
sein Diener warf ihm den Mantel über und schleunigst verließ er seine Wohnung. 
Er eilte in einen Blumenladen, kaufte einen Strauß Maiglöckchen und Veilchen für 
5 Mark, rief einen vorüberfahrenden Kutscher an und fuhr nach dem Ziele ferner 
Sehnsucht^ 2gagen tiot J^as Haus. Elimar von Prachendorf eilte die 
Stufen hinauf und wurde von einem Diener empfangen, der ihm, den Mantel ab¬ 
nehmend, mitteilte, daß er von den Damen erwartet. werde. HerrBaron v. Prachen- 
dorfl" meldete der Diener und im nächsten Augenblicke befand sich v. Prachendorf 
in einem traulichen Salon der jungen Ungarin gegenüber. 
Diese kam ihm mit der liebenswürdigsten Miene etmge Schritte entgegen: 
Herr Baron erweisen uns die Ehre," sagte sie dann mit dem entzückendsten Lächeln: 
„Wollen Herr Baron nicht Platz nehmen?" Sie wies auf emen Sessel. 
Gnädigstes Fräulein!" erwiderte v. Prachendorf mit einer tiefen Verbeugung, 
hatten die Liebenswürdigkeit, mich her zu befehlen! Ich bin geeilt, geflogen, um 
Ihnen, gnädiges Fräulein, mit diesen Blumen meine ebenso ergebenen tote herz¬ 
lichen Glückwünsche zu Füßen zu legen." Er überreichte ihr das Bukett. 
Oh! Herr Baron, womit habe ich eine solche Aufmerksamkeit verdient! Ah! 
die schönen Blumen!" Sie nahm das Bukett und legte es auf ein Marmortischchen. 
Aber, bitte Herr v. Prachendorf, nehmen Sie doch Platz." Beide setzten sich, „-ich 
habe mich sehr gefreut über Ihr reizendes Gedicht, Herr Baron, es ist doch von ^hnen? 
„Ah! diese simplen Verse. Gnädigste! Ah! Ah! Allerdings von mir." 
„Schneeflocken! Wie entzückend! ' 
Gnädiqsles Fräulein! Wie können Sie glauben, daß der Eindruck, den Sie 
aus dem Balle beim Gesandten auf mein armes Herz machten, nicht ein 
so mächtiger gewesen sein sollte, um mich zu befähigen, der schönsten Blume des 
a"9”1 SMto ÄÄ Unb wl° glMM, ich bi», daß»»» ich»» 
so bald meine Wünsche in Erfüllung gehen, daß ich mich verloben werde!" 
v. Prachendorf fuhr zusammen! Verloben! Ah! dieses herrliche Weib kam ihm 
in nie geahnter Weise entgegen. Sie wollte sein Weib werden! Sie wollte seinen 
Namen tragen! Ah! Und er war reich! _ . , , . . , 
Von diesem Gedanken bewältigt, kniete er vor ihr nieder und rief, leiden¬ 
schaftlich ihre Hand küssend: 
„Irma! Engel! Ich bete Sie an!" 
Irma sprang auf. Sie entriß ihm die Hand . 
„Herr Baron! Das geht zu weit! — Was fallt Ihnen ein? 
„Ich liebe Sie!" sagte v. Prachendorf, sich erhebend. 
„Wirklich? Ach, mein Herr, das bedaure ich — Ihretwegen! Ich habe mich 
heute verlobt —" 
„Sie haben sich verlobt — Gnädigste!? Ah! Ahr 
„Sie hören, ich habe mich verlobt und ich bin sehr glücklich. Tante, bring 
doch einmal die Zeitung!"
	        
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