Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1907 (1907)

Versuche, sie zur Vernunft zu bringen, blieben leider erfolglos, so daß ich mich mit 
dem Bewußtsein der guten Absicht trösten mußte. 
Am andern Morgen kam meine Frau mit ihrem Anliegen, das sie schon tags 
zuvor gequält hatte, zum Vorschein: Ich sollte das Mauseloch aufsuchen und ver¬ 
stopfen. — Von besagter Maus, die — begreiflicherweise — mir selbst schon 
fürchterlich zu werden begann, hatte ich bisher noch nicht das Geringste bemerkt 
und glaubte einfach gar nicht an ihre Existenz. Dagegen war ein anderer schrecklicher 
Gedanke in mir aufgestiegen. Sollte meine Frau etwa heimlich unheimlich trinken 
und die Mäusefurcht ein Ausfluß des beginnenden Deliriums sein? Zunächst hielt ' 
ich es doch für das Geratenste, dem Wunsche meiner Frau nachzukommen und nun 
begann in unserer Wohnung ein Rumor, gegen den ein Ueberlandumzug ein Ver¬ 
gnügen ist. 
Fürs Erste wurden die großen Betten abgerückt, wobei ein Bein abbrach, so 
daß das schwere Möbel mit einer Ecke gerade auf mein bestes Hühnerauge fiel, 
und zwar derartig, daß ich seitdem nicht mehr zu schneiden brauche. Vor Schmerz 
halb wahnsinnig, tanzte ich, den verletzten Fuß zwischen beide Hände gepreßt, auf 
dem anderen Beine im Zimmer umher. Meine Frau sah mich mit großen Augen 
an und sagte dann im Tone höchster Indignation: „Ich begreife gar nicht, daß die 
Männer sich über jede Kleinigkeit so aufregen!" 
Ich war sprachlos. — Ich hörte die Engel im Himmel und meine Frau nur 
eine Maus pfeifen; ich sollte dazu sanft lächeln, während sie vor Angst Weinkrämpfe 
bekam und mich armen, schwachen Federfuchser zum Möbeltransporteur machte - 
Weiberlogik. 
Das schwerste Möbel war ein alter, noch von meinen Großeltern stammender, 
breiter Schrank, der ein ganz imenses Gewicht hat und von jeher den Schrecken 
aller „Ziehleute" bildet. Die Köchin war zu einer Besorgung ausgegangen und so 
wollte ich den Portier zur Unterstützung herbeirufen, doch wünschte meine Frau 
nicht, daß „jeder" unsere Wohnung „inspiziere". — Als ob nicht schon bei unserem 
Einzuge alle Hausbewohner jedes Möbelstück einer eingehenden Kritik unterworfen hätten! 
Auf dem Schranke stand eine uralte Stutzuhr, ebenfalls ein Familienstück, 
das mir als solches und seiner originellen Form wegen lieb war. Sicherheitshalber 
wollte ich die Uhr herabnehmen, meine Frau erklärte mir aber mit gereizter Bestimmtheit, 
ich würde sie doch nur fallen lassen und so blieb sie stehen. 
Kaum hatte ich aber mit Aufbietung aller meiner Kräfte und nach Ueberwindung 
der mir durch die „Hilfeleistung" meiner Frau entgegengesetzten Hindernisse den 
Schrank an einer Seite emporgehoben, da kam die Uhr ins Rutschen und im nächsten 
Augenblicke lag sie, in tausend Stücke zerschellt, auf dem Fußboden. Von Schmerz 
und Gram erfüllt, aber doch gefaßt, starrte ich auf die Trümmer einstiger Herrlichkeit. 
— Und meine Frau? Sie lachte schrill auf: „Ich habe dir ja gleich gesagt, du 
läßt die Uhr fallen!" 
Alle Möbel waren abgerückt, die Ecke hinter dem Ofen genau durchsucht, aber 
nichts fand sich, als in regelmäßigen Abständen wiederkehrende viereckige Einschnitte 
in die Scheuerleiste. Ich behauptete zwar, diese Einschnitte seien gemacht, um zwecks 
Fäulnisverhinderung hinter der Leiste eine Ventilation zu ermöglichen, meine Frau 
erklärte aber die Oeffnungen kategorisch für Mäuselöcher, geriet über die bedeutende 
Anzahl derselben in die größte Aufregung und verlangte, ich solle alle mit.Glas¬ 
scherben zustopfen. 
Nun, hatte es schon ein Bettbein, ein Hühnerauge und meine Stutzuhr gekostet, 
so kam es auf ein paar alte Flaschen auch nicht an. — In meinem Leidenskelch 
war aber noch ein Rest zurückgeblieben und auch dieser sollte mir nicht geschenkt
	        
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