Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1907 (1907)

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Wechsel an mich zurück und ich habe die ungeheuerlichsten Laufereien, Scherereien, 
Klagereien und Kosten, um zu meinem Gelde zu gelangen " 
„Das ist sehr betrübend." 
„Aber es geht doch uns nichts an." 
„Sie wissen wohl nicht, meine Herren, ob Herr Tulpe das Geld vielleicht 
schon herausgelegt hat?" 
„Davon habe ich keine Ahnung " 
„Davon habe ich keine blasse Idee." 
„So, so! Das ist ja eine nette Geschichte! Das ist ja sehr erbaulich - " 
In diesem Augenblick trat ein Bote der Kommerzbank ein, welcher den fälligen 
Wechsel präsentierte. Die Studenten teilten dem Boten mit, daß Herr Tulpe nicht 
anwesend sei und keine Deckung hinterlassen habe. 
„Dann geht der Wechsel sofort zum Protest!" antwortete der Bote im geschäfts¬ 
mäßigen Ton und steckte das Papier wieder ein. 
Patzke hatte beim Erscheinen des Boten leise vor sich hin gewettert. 
„Zum Kuckuck! Ich muß den Wechsel einlösen, da kommt weiter nichts dabei 
heraus" — murmelte er und wandte sich dann laut an den Boten: „Geben Sie 
den Wechsel her, ich löse ihn ein —" „ 
„Ah! Das ist eine rühmliche Tat, werter Herr Patzke!" sagte Krempel. 
„Ich habe Sie erkannt, Sie Edler, Sie Großmütiger." meinte Blempel. 
„Lassen Sie mich mit ihren Flatousen in Frieden, ich bin weder edel noch 
großmütig. Wenn ich den Wechsel einlöse, so hat das seine guten Gründe." 
Der Bote entfernte sich mit pfiffigem Gesicht, indessen die Studenten dem 
braven Patzke überschwängliche Lobeserklärungen machten. 
„Millionen Schwerenot, und nun sage ich Ihnen, daß das Duell nicht statt¬ 
finden wird!" prustete Patzke wütend heraus. 
^Lachen Sie nicht! Ich gehe sofort zum Polizeibureau und mache Meldung." 
„Gehen Sie! Eilen Sie, Sie edler Menschenfreund " 
„Ich lasse Sie alle zusammen arretieren." 
„Na, na!" 
„So eine Bagage!" mit diesen Worten stürmte Patzke zur Tür hinaus und 
die Treppe hinunter. Kaum war er fort, als Tulpe aus dem Nebenzimmer kam und 
jubelnd seine Freunde umarmte. 
„Nun aber schnell, Kinder, schnell, schnell! Die Komödie ist noch nicht zu 
Ende! Nun nehmen wir einen Wagen, holen ein Faß Bier und fahren wie der 
Blitz zum Forsthaus hinaus," sagte Blempel. 
Mit größter GeschwindigkeiUwurden diese Worte zur Tat gemacht. Das fidele 
Trio war in einigen Minuten beim Wagenvermieter Lucas und kurze Zeit darauf 
fuhr eine stattliche Kutsche bei dem Restaurant „Zum Glühlichtstrumpf" vor. Ein 
Faß Prälatenbräu wurde auf den Bock geladen, einige dort kneipende Kollegen 
würden mit in den Wagen gepreßt, und so fuhr die Gesellschaft, bedeutend vergrößert, 
dem Forsthause zu. ^ , , 
Der Reinfall des Papa Patzke bildete den Stoff zur allgemeinen Heiterkeit. 
Nach halbstündigem Fahren gelangte man in den herrlichen Wald, der das Forsthaus 
umgab. Unter schattigen Bäumen wurde ein Plätzchen gesucht, das Faß herunter 
geholt, und eine sehr animierte Kneipe begann. 
Nach einer guten Stunde kam auf der Straße eine Droschke herangerast. In 
derselben faß Patzke mit zwei Gendarmen
	        
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