Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1904 (1904)

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Das Gespenst im Heinhause. 
Erzählung von G. Hollenegg. 
Einen so schlimmen Tag hatte die Gemeinde ** noch nicht erlebt, solange ihre 
massiven Steinhäuser auf dem felsigen Grunde des Kohlrabhügels ftanben, größere 
Aufregung, Angst und Verwirrung noch nicht geherrscht un er diesen braven und 
gutmütigen Leuten. 
Der Pfarrer lag krank im Bette. Der Schullehrer- ließ die Kinder Denkübungen 
anstellen und lief derweilen in fieberhafter Angst zwischen Gasse nnd Schulstnbe hin 
und wieder. Der Gememdevorstand war trotz allen Suchens nicht zu finden unb 
was ben Gemetnbebtener betrifft, so versicherte sein Weib hoch unb teuer, baß er 
nächtlicher Weile sich ben Knöchel verrenkt habe unb keinen Schritt zu tun vermöge 
7 obgleich ein solches Malheur bei einem in seinem Bette liegenden Manne aeroift 
ebenso seltsam als auffällig fein mußte. 
• was man so eigentlich bie offizielle Welt von ** nennen konnte, war 
einschließlich ber verschobenen Gemeinbeausschüsse außer Aktivität unb für so ein 
kühnes Auftreten, wie es ber Augenblick verlangt hätte, entschieden nicht zu haben 
wahrend bte mchtoffizielle Welt Beiberlei Geschlechtes bie Gasse füllte, bleichen Angesichts 
nut verstörten Mienen leise flüfternb unb das Schreckliche besprechend was ber 
Morgen gebracht. 
Alles lechzte nach Aufklärung, wie ein burftiger Wanberer nach einem frifchen 
prunke. So oft ein neues Meuschenkinb sich auf ber Gasse zeigte, richteten sich 
hunbert erwartungsvolle Blicke blitzschnell auf basselbe Aber stets war es nur ein 
Neugieriger, unb niemals wollte sich einer finden, der hinlänglichen Mut besessen 
hatte, wenigstens den Versuch einer Lösung bes schrecklichen Rätsels zu machen. 
, Da kam von ber Höhe, welche bas Kirchlein trug, herabgeschritten eine hohe 
and schlanke Frauengestalt, ^hre Haltung war stolz unb nur eine leise Neigung bes 
Rückens verriet bie Last der Jahre, Frömmigkeit unb hoheitsvolle Unfchulb sprach 
a £ 9raue^ Augen, die jo ziemlich das einzige waren, was von ihrem Gesichte 
ZU sehen war, benn bas übrige verdeckte ein großes Tuch. Es war bas des Pfarrers 
Haushälterin bte würdige Mamsell Kathon. Sie gehörte zu bett Frommen vor beut 
Herrn unb thr Name klang hoch geachtet in der Gemeinbe. 
m, f W fie bon c^n Ereignissen in ber Nacht erschüttert, benn ihre sonst so 
scharfe Stimme: Brite ein Merkliches, ba sie von ber Glaubenslosigkeit unb Verderbtheit 
t ^ -ln Vorfälle, wie ben heutigen verschulden, bereu Schreck- 
Ä“ ’nU‘,3'n ^ ”ie i6,en 6mton *"• Warm aasba« 
Aber Mamsell Kathon war bennoch zugleich ein mutiges Wesen. Nachbetn sie 
mJ? 'lrQ f r 9re //E1!' Orderte sie mit entschlossener Stimme bie Anwesenden 
auf, ihr zu folgen. Entsetzt wich bte Menge zurück. Ausrufe bes Schrecks unb ber 
Verwunderung waren bte einzige Antwort. Verrächtlich wanbte sie sich ab Ihr 
ftib ein feiges Volk." Da trat ein Weib an sie heran Schmähen Sie uns nickt 
MatnjellKathön, aber man soll die bösen Geister nicht versuchen." Sie fuhr zornig 
aus. „Wer ent gutes Gewissen besitzt, Braucht sich vor niemand zu fürchten." Und 
toteber trat jemanb naher an sie, biesmal war es ein Mann. 
„Sch haBe keine Furcht vor Menschen," sagte er, „ctBer was seit Mitternacht 
£ $ r' l ■ ^ufelswerk. Tot unb im Sarge liegt bort bie alte 
Manhartm unb ba sie Bet Lebzeiten ein ruhiges Weib gewesen so wirb sie mir 
auch rat ^obe keinen Unfrieben hervorrufen. Aber was bie ganze Nacht hinburch
	        
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