Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1904 (1904)

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„Meine Kinder! Meine armen Kinder! Ich wüßte Niemanden, dem ich sie 
ans Herz legen könnte, als Dich, Arthur. Nicht wahr, Arthur, Du wirst sie nicht 
verlassen. Du wirst für sie sorgen um der alten Erinnerung, um der großen Liebe 
willen, die Du für mich gehegt! Du wirst die letzte Bitte einer sterbenden Mutter 
nicht unerfüllt lassen, nicht wahr?" 
Sie hatte mühsam abgebrochen, oft kaum verständlich gesprochen. Er erfaßte 
ihre Hände mit sanftem Druck. 
„Ich gelobe es Dir, Helene, meine arme Helene," sagte er mit bewegter 
lu'r’116' m sorgsamer Hut aufwachsen und treuer Elternliebe nicht 
entbehren. Gott hat mir eigene Kinder versagt, nun sollen die Deinigen deren Stelle 
einnehmen." 
"^Dank! Dank!" flüsterte sie; „aber," fügte sie ängstlich hinzu, „was wird 
Deine Frau dazu sagen?" 
„£>, meine gute Klara," antwortete er warm, „wird sie mit Freuden auf* 
nehnten und sich nach besten Kräften bestreben, ihnen die Mutter zu ersetzen. Sie ist 
ja die Herzensgüte selbst" 5 ' 
Sie atmete auf, wie von schwerer Last befreit. 
„So bist Du glücklich, Arthur?" 
„3a, Helene, ich bin glücklich und zufrieden." 
”®,ütUei DMk," murmelte sie kaum hörbar, „nun kann ich ruhig sterben, 
Steh weiß ich glücklich und die Kinder in Deiner Obhut gut aufgehoben, so kann ich 
ohne Bedauern mein verfehltes Leben beendigen." 
Sie schwieg erschöpft. Plötzlich begann sie unruhig umherzutasten. 
„2Bo sind die Kinder, Arthur? ©reichen, mein Kleiner, wo sind sie?" 
Doktor Werner ries das Mädchen herbei, nahm den Kleinen und setzte ihn 
neben die Sterbende auf das Bett und legte die Hand Gretchens auf die erkaltende 
gant) der Mutter. Diese legte segnend ihre kraftlosen Hände auf die Häupter der 
Kinder und ihre Lippen bewegten sich leise, wie im Gebet, aber kein Laut kam mehr 
^Ä^n-, Dann glitten ihre Hände langsam auf die Decke zurück, ein letztes 
letfes Röcheln, ein letztes Zucken, die arme Dulderin hatte ausgelitten. 
Ar hur beugte sich feuchten Blickes über sie und schloß mit sanfter Hand die 
iS\5j^Z Ldch«" (fei” mn °“f fein,n a™ ergriff bie 
AWt -'®retchen'" s^te er mit sanfter Stimme, „Eure arme Mutter ist zum lieben 
X 9Öey -r-t)at |te. b,‘ Sorge für Dich und Dein Brüderchen anver¬ 
traut. LZillst Du mit mir m mein Hans gehen und mich fortan als Deinen Vater 
betrachten und ein wenig lieb haben?" 
Das Kind sah ernsten Blickes zu ihm aus. Nach einer Weile nickte sie: 
. f, ^a’ imrb gut und ^hre Frau auch. Meine gute Mutter hätte uns qeiuift 
n Ernfil,m?erMen' das nicht gewußt hätte. Ich will Sie lieb haben." 
Er beugte sich und küßte das Mädchen auf die Stirne: dann ries er die Kaus- 
wirtin und teilte ihr mit, daß Frau Heim soeben gestorben sei und er alle weiteren 
Anordnungen aus stch nehme. Die Kinder würden fortan bei ihm wohnen Dann 
nahm er stillen Abschied von der Todten, hüllte den Kleinen in ein Tuch und trua • 
ihn die Treppen hm ab, gefolgt von dem leise weinenden Gretchen. Bald rollten sie 
feinem vornehmen, behaglichen Heim zu. Unterwegs kam ihm der Gedanke was wohl 
seme Frau zu den Kindern sagen würde, die er nun in ihr ftiflpa Mm 
jroeifelte (einen Angenblick botnn, bafj sie bie «„dir mit selben tSlZmm™ ,c,6m 
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