Volltext: Illustrierter Braunauer-Kalender 1903 (1903)

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bleibt, da bleibt er auch gerne im Herzen und im Gedanken liegen. Und Du hast 
wohl auch nie durch eine schmutzige Scheibe ein fröhliches Gesicht schauen sehen! 
Daß Dein Weib vollends keine Lumpen aufkomme» läßt, bäucht mich gerade das 
Schönste an ihr. Ich weiß zwar nicht, ob lumpige Menschen lumpige Kleider oder 
lumpige Kleider lumpige Menschen machen. Eins aber ist gewiß: daß sie stets bei 
einander sind. 
„Das wäre schon recht", sagst Du, „wenn wir nöthigen Leute es nur so 
machen könnten! Aber für unsere Geldbeutel sind solche Haushaltungen zu kostbar, 
wo rnan's immer so blank haben will.-' 
Diesmal hast Du aber gerade fehlgeschossen! Meinst Du etwa, zu einer gut 
zubereiteten Speise brauche man nicht viel mehr Schmalz und Mehl und Eier als 
zu einer schlechten und unverdaulichen, und die Mägen der Deinen seien von jener 
nicht eher gesättigt ? Meinst Du vielleicht, die paar Kilo Seife, welche Dein Weib 
mehr braucht als ihre Nachbarin, feien theurer als die langen Doktor- und Apo¬ 
thekerrechnungen, welche jene jedes Jahr bezahlen muß ? Daß Du vollends gar des 
Glaubens bist, lumpige Kleider feien billiger als geflickte, das machst Du mir nicht 
weiß, denn Du bist eifrig bemüht, den kleinsten Schaden, den Wind und Wetter an 
Deinen Gebäuden anrichten, auszubessern, damit nicht ein großer daraus entstehe. 
Und was glaubst Du erst, was die gute Saune werth ist, die Arbeitslust und Zu-, 
friedenheit, welche in einem solchen Haufe wohnen ? — Drum ist Dir's mit Deinen 
Vorwürfen auch nicht so ernst gewesen, und jetzt, da Du einen guten Imbiß ver¬ 
zehrt hast, erscheinen Dir auch Deine Sorgen nicht mehr so groß; denn ein großer 
Theil des Unmutheg kommt aus einem teeren Magen, und wenn die Sorgen auch 
groß sind, so ist doch Dein Muth noch größer. Wem sonst aber versankst Du 
diesen Muth als dem Wohlsein und der Zufriedenheit, der Reinlichkeit und Gedeih¬ 
lichkeit in Deinem Haufe, mit einem Worte: Deinem Weibe! 
Mit einem häuslichen Weibe kann man nicht verderben, sagt mit Recht das 
Sprichwort. Hüte dich daher, daß Du ihr in Zukunst Vorwürfe machst und ihr 
den Muth nimmst! Sie setzt das Vertrauen in Dich, daß Du Mittel und Wege 
schaffest und das Vorhandene mehrest; ihre Sorge ist es, zu erhalten, und das ist 
eine noch schwierigere. Allerdings ist ihre Mühe nicht mit einem zeitweise so großen 
Aufwende von Kräften verbunden wie Deine Arbeit, aber das Weib kennt keinen 
Feierabend wie Du. Unermüdet, vom frühen Morgen bis zum späten Abend, sind 
ihre Hände thätig. Und wie viele schlaflose Nächte bringt sie ohne Murren am 
Lager eines kranken Kindes zu, und ist bei Tage wieder munter und in allen Ecken! 
Keine Arbeit ist ihr zu klein, kein Schmutzfleck zu unbedeutend, kein Bücken zu viel, 
bis Alles im Hause in Ordnung ist, und Jedes feine Sache hat und überall Zu¬ 
friedenheit und Wohlsein herrscht. Weichet Muth, welche Geduld und Ausdauer 
gehören dazu, täglich dasselbe still und unbeachtet, ohne Dank und ohne Lob zu 
thun, und ohne daß dadurch der Reichthum gemehrt wird, bloß um des Erhaltens 
willen! Laß dein Weib nur einen Tag krank darnieder liegen: welche Unordnung 
entsteht bann! Ueberall und in allen Ecken fehlt's, vor heimlichen Aerger vergeht 
Dir bie Schaffenslust, und wenn es lange währt, fühlst Du wohl, daß die Wurzeln 
Deines Wohlstandes untergraben sind. Lerne daher einsehen, welche Aufgabe Dein 
Weib in deinem Haufe hat, damit Du ihr dieselbe nicht durch unzeitige Gering¬ 
schätzung verkümmerst, und lerne sie bifüc achten un) barin unterstützen!
	        
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