Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes, Bd. VII 
§ 60. Palästina, die asiatische Türkei, Marokko, Persien 
ständlich bleiben. Soweit sie von der Ankunft des Messias träumten, 
stellte diese sich ihnen nicht in politischem, sondern in mystischem 
Lichte dar und verband sich in ihrer Phantasie mit den widernatür 
lichsten Wundertaten, wie etwa der Wiederbelebung der Toten 1 ). 
Die messianische Bewegung sollte aber auf Palästina nicht einmal 
indirekt zurückwirken, etwa durch eine merkliche Zunahme der Zahl 
der von außen her Einwandernden. Der einzige, im Jahre 1700 von 
Jehuda Chassid und Chaim Malach unternommene Versuch, eine 
Massenemigration aus Europa in die Wege zu leiten, brach, wie er 
innerlich, nach anfänglichem Erfolg kläglich zusammen und endete 
damit, daß die tausendköpfige, in Jerusalem eingetroffene Schar in 
kürzester Frist zu einem winzigen Haufen zusammenschmolz (oben, 
§§ 2 3 und 4i). Dem in schwerste Bedrängnis geratenen Überrest 
der Neuankömmlinge blieb nichts anderes übrig, als einen „Meschul- 
lach“ zum Einsammeln von Spenden nach Europa auszusenden. Im 
Jahre 1716 veröffentlichte nun dieser Sendbote, der polnische Ge 
lehrte Gedalja Ssemjaticzer, in Berlin eine Schrift unter dem Titel 
„Erkundigt euch nach dem Wohlergehen Jerusalems“ („Schaalu 
schelom Jeruschalajim“), in der er eine trostlose Darstellung von 
den Lebensverhältnissen der Juden im Heiligen Lande gab. Die über 
wiegende Mehrheit der jüdischen Bevölkerung Jerusalems war jeder 
Verdienstmöglichkeit beraubt. Während die Sephardim zum Teil, so 
weit sie sich nämlich mit den Muselmanen und Christen in arabischer, 
türkischer oder einer der romanischen Sprachen verständigen konn 
ten, wenigstens in der Lage waren, als Höker auf dem Markte ihr 
Brot zu verdienen, war den Aschkenasim mit ihrem Jüdisch-deutsch 
selbst dieser schmale Weg zum Erwerb verschlossen. Für den Groß- 
*) Das von dem Jerusalemer Kabbalisten Nathan Schpiro (nicht zu verwechseln 
mit dem gleichnamigen polnischen Kabbalisten der älteren Zeit; Band VI, § 42) 
in seinem damals erschienenen Buche („Tub ba’arez“, Venedig 1655) gemalte Bild 
der Messiiaszeit entspricht vollauf den im Volke verbreiteten Vorstellungen: zu 
nächst würde über die Jerusalemer Juden nie dagewesenes Unheil hereinbrechen, 
sie würden in die Wüste flüchten, dort Meister Moses wiederfinden, zusammen 
mit ihm Tränen vergießen und Qualen erdulden, wobei viele, nicht stand 
haft genug, das Martyrium zu ertragen, sich den fremden Völkern ver 
schreiben würden, während den standhaften die Erlösung zuteil werden würde, 
so daß sie zusammen mit den auf erstandenen Toten wieder in Jerusalem ein 
ziehen würden; hierauf würde dort der neue, ganz aus Edelsteinen auf gebaute 
Tempel sowie ein neues Geschlecht von Menschen erstehen, die, gleich Adam vor 
dem Sündenfall, „geistige Leiber“ haben würden, um durch die Lüfte direkt in das 
Eden fliegen zu können, und was dergleichen Wundererscheinungen mehr sind.
	        
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