Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

§ 59. Die europäische Türkei und die Balkanländer 
den türkischen Juden, wie von dem eben genannten Reisenden be 
zeugt wird, auch Vertreter der freien Berufe: Ärzte, Chemiker, Über 
setzer. Besondere Erwähnung verdient der im ersten Viertel des 
XVIII. Jahrhunderts am Hofe des Sultans Achmed III. als Hauptarzt 
wirkende Sephardimsprößling Daniel de Fonseca. Ein Mann von um 
fassender europäischer Bildung und von großer Sprachgewandtheit, 
wurde de Fonseca vom Sultan und vom Großwesir hin und wieder 
auch mit diplomatischen Aufträgen betraut. Auf diplomatischen Rei 
sen in Paris weilend, befreundete er sich dort mit dem jungen Vol 
taire, der in seiner „Geschichte Karls XII.“ die Rolle hervorhebt, die 
dem jüdischen Staatsmann bei den vom Schwedenkönig nach der 
Schlacht von Poltawa (1709) zwecks Kontrahierung eines Offensiv 
bündnisses gegen Rußland mit der Pforte angeknüpften Unterhand 
lungen zugefallen war. Hierbei kennzeichnet Voltaire de Fonseca als 
„den einzigen Philosophen, den seine Nation aufzuweisen hat“. Den 
türkischen Machthabern werden wohl in dieser Zeit vielfach auch 
jüdische Finanzmagnaten zur Seite gestanden haben, doch sind uns 
die Namen dieser Männer, die in der Regel über großen Einfluß ver 
fügten, nicht erhalten geblieben. 
Die in der europäischen Türkei bestehenden Gemeinden zerfielen 
nach wie vor in die der Sephardim, die an ihrem altüberkommenen 
Spaniolisch festhielten, und die der Autochthonen (der Levantiner 
oder Romanioten), welche sich einer griechischen oder italienischen 
Mundart bedienten. Infolge der zunehmenden Einwanderung aus Po 
len und Deutschland kommt hier in den Sephardimsiedlungen, wie 
dies in dieser Epoche auch sonst überall der Fall war, in immer stei 
gendem Maße der aschkenasische Einschlag zur Geltung. Desunge- 
achtet behielten die sich auf ihre festen wirtschaftlichen Positionen 
stützenden Sephardim in den gemischten Gemeinden noch immer die 
führende Stellung. Die Sephardimhegemonie macht sich indessen 
nicht allein in der türkischen Hauptstadt oder in solchen Zentren 
des internationalen Handels wie Saloniki und Smyrna bemerkbar, son 
dern kommt ebenso deutlich auch in jenen dem Sultan botmäßigen 
Balkanländern zum Vorschein, die wirtschaftlich weit zurückgeblieben 
waren. So in der Hauptstadt Bosniens, Sarajevo (Bosna Serai), die 
seit dem XVI. Jahrhundert eine festgefügte „spaniolische“ Gemeinde 
beherbergte. Gegen Ende des XVII. Jahrhunderts trat in Sarajevo 
der hier ansässige Nehemia Chajon hervor, der später in ganz West
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.