Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

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§ 32. Die Ausweisung aus Wien und die Rückkehr der Finanzmänner 
Unruhestiftern das Handwerk zu legen. Zu gleichen Unterdrückungs 
maßnahmen sah man sich im Jahre 1668 um die Passahzeit veran 
laßt, als Scholarenbanden in Gemeinschaft mit sonstigem „Gesindel", 
wie der Ausdruck in der amtlichen Urkunde lautet, in die Judenstadt 
von Wien einbrachen, um sich dort nach Herzenslust auszutoben. Zur 
selben Zeit jedoch, da man dem Volke im Namen des Kaisers Zügel 
anzulegen suchte, war es der Monarch selbst, der sich mit dem Plane 
trug, eine grausame Judenhetze in legalen Formen ins Werk zu setzen. 
Der Schutz, der den Juden in der katholischen Residenz zuteil 
wurde, in der die Protestanten nicht einmal ein Bethaus haben durf 
ten, mußte in der Tat als Anomalie erscheinen. Die unter der Reli 
gionsnot leidenden evangelischen Ungarn versäumten denn auch nicht, 
dem Kaiser vor Augen zu führen, daß sie schlimmer daran seien als 
die „schlimmsten Feinde des Kreuzes", denen es gestattet sei, sogar 
in der Reichshauptstadt Synagogen zu besitzen, „worinnen doch so viel 
Lästerungen gegen den Heiland ausgestoßen" würden. Der fromme 
Kaiser war für solche Argumente umso empfänglicher, als er inzwi 
schen einen Ehebund mit einer verbissenen Judenhasserin eingegan 
gen war, mit der Infantin von Spanien, Margarete Theresia. Aus einem 
Lande gebürtig, über dessen Grenze kein Jude seinen Fuß setzen 
durfte, mußte sich die gottesfürchtige Kaiserin in ihrer neuen Resi 
denz, in der sich der „gotteslästerliche" Stamm mit seinen Synagogen, 
Rabbinern und seinen autonomen Gemeindeinstitutionen breit machte, 
äußerst unbehaglich fühlen. Als sie dann das Unglück hatte, ihren 
erstgeborenen Sohn schon drei Monate nach seiner Geburt zu ver 
lieren, kam sie zusammen mit ihrem Gemahl auf den Gedanken, den 
Himmel durch irgendein gottgefälliges Werk zu besänftigen, als wel 
ches dem kaiserlichen Paare vor allem die Ausweisung der Juden 
erschien. Zu Beginn des Jahres 1669 wurde zur „Untersuchung" die 
ser Frage ein besonderer Ausschuß eingesetzt, der bezeichnender 
weise „Inquisitionskommission" oder „Judeninquisitionskommisson" 
hieß. Eines der rührigsten Ausschußmitglieder war der grimmige Ju 
denfeind und Verfolger aller Andersgläubigen überhaupt, der Bischof 
von Wiener-Neustadt, Kollonitsch. So war es nur natürlich, daß die 
vom Ausschuß dem Kaiser unterbreiteten Gutachten von einem Eifer 
zeugten, der den tüchtigsten spanischen Inquisitoren hätte zur Ehre 
gereichen können. Eines der Gutachten wies denn auch ausdrücklich 
auf das lobenswerte Beispiel Spaniens hin, das neben manchem an
	        
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