Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

§ 31. Katharina II. und die Annexion Weißrußlands 
nicht zu belästigen, vielmehr bitten wir alleruntertänigst nur darum, 
ihnen zwecks Entfaltung des kleinrussischen Kommerzes das Recht 
der freien Einreise zu Geschäftszwecken zu bewilligen“. Die Bitte 
wurde indessen abschlägig beschieden, da die Kaiserin selbst es noch 
immer nicht „wagen“ durfte, an dem die „Feinde Christi“ verdam 
menden Urteilsspruch der bigotten Elisabeth irgendwie zu rütteln. 
Aus demselben Grunde vermochte auch der Magistrat von Riga, der 
die Aufmerksamkeit des Senats darauf lenkte, daß infolge des seiner 
zeit ergangenen antijüdischen Erlasses der Rigaer Export von Jahr 
zu Jahr abnehme und von den fremdländischen Häfen Libau, Memel, 
Königsberg absorbiert werde, mit seinen die Zulassung der jüdischen 
Kaufleute aus Polen befürwortenden Vorstellungen nicht durchzu 
dringen (1764). Das einzige Mittel, das der diesen Vorstellungen 
durchaus verständnisvoll gegenüberstehenden Katharina zu Gebote 
stand, war die Erteilung von Instruktionen an die Ortsbehörden, durch 
die diese angewiesen wurden, es mit den antijüdischen Vorschriften 
nicht so genau zu nehmen. In diesem Sinne schrieb sie an die In 
ländischen Landesbehörden und wohl auch an die der anderen für 
die Juden unzugänglichen Grenzprovinzen. So war den Juden, die an 
die Umgehung der ihren Menschenrechten Hohn sprechenden Gesetze 
längst gewohnt waren, eine Handhabe geboten, sich in Riga und 
Kleinrußland nicht nur zeitweilig aufzuhalten, sondern dort zum Teil 
auch dauernden Aufenthalt zu nehmen, um so mehr als die maßge 
benden Kreise der Landesbevölkerung an den von ihnen geleisteten 
wirtschaftlichen Diensten, wie schon betont, ein unmittelbares Inter 
esse hatten. 
Der sich in der amtlichen antijüdischen Politik anbahnende Um 
schwung tritt je weiter, desto deutlicher zutage. Als die Kaiserin im 
Jahre 1769 während des Krieges gegen die Türkei die Anweisung 
erteilte, die gefangengenommenen Walachen, Griechen und Arme 
nier in Neu- und Kleinrußland anzusiedeln und ihnen „mit allem 
Wohlwollen zu begegnen“, gab sie Befehl, die neurussischen Provin 
zen auch für die Juden freizugeben. Da nun die im äußersten Süden 
des europäischen Rußlands gelegenen Provinzen unmittelbar an Klein 
rußland stießen und die Behörden des letzteren der Zuwanderung der 
Juden mit Nachsicht begegneten, so vermochten diese zu jener leben 
digen Verbindungsbrücke zwischen den beiden Hauptgebieten Süd 
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