Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

Die Entstehung des jüdischen Zentrums in Rußland 
Kaiserreich zu weilen, doch dürfen sie seine Grenzen in Zukunft nicht 
mehr verlassen“. Um die Ortsbehörden zur striktesten Durchführung 
des Befehls anzuspornen, schärfte die Kaiserin den Gouverneuren, 
Wojwoden sowie den kleinrussischen Regiments- und Hundertschafts 
kommandeuren zum Schluß noch ein, keinerlei Nachsicht zu üben, 
wenn sie sich nicht den „allerhöchsten Zorn und die schwersten 
Leibesstrafen“ zuziehen wollten. In ihrem frommen Eifer beraubte 
so Elisabeth die Juden mit einem Schlage sowohl des Niederlassungs 
rechtes in allen russischen Grenzgebieten als auch des Rechtes, sich 
dort zeitweilig zu Geschäftszwecken aufzuhalten, wodurch sie sogar 
die vom Leben selbst diktierte, ihnen im Jahre 1728 ausdrücklich 
zugesicherte Vergünstigung zunichte machte. 
Der grausame Ukas, der angeblich den treuen Untertanen „den 
schwersten Schaden“ ersparen wollte, fand jedoch bei diesen nicht 
den geringsten Anklang. Durch die Verbannung der Juden aus Ruß 
land bezweckte man vor allem, der Bevölkerung zweier Grenzmarken, 
Kleinrußlands und Livlands, eine Wohltat zu erweisen; indessen er 
klärte die Einwohnerschaft der einen wie der anderen Provinz durch 
Vermittlung ihrer öffentlichen Verwaltungsinstitutionen, daß das 
kaiserliche Dekret ein Danaergeschenk sei. So erhielt der Senat 
aus Kleinrußland von der „Heereskanzlei“ eine Meldung des Inhalts, 
daß die griechischen Pächter der Einfuhrzölle die gegen die Juden 
verfügten Unterdrückungsmaßnahmen für den Interessen des Fiskus 
zuwiderlaufend hielten, da mit der Abschnürung des von den polni 
schen Juden betriebenen Einfuhrhandels der Ertrag an Zöllen in 
stetem Sinken begriffen sei. Überdies wiesen die griechischen Ge 
schäftsleute darauf hin, daß durch die plötzliche Ausweisung der 
Juden nicht nur diese, sondern auch die mit ihnen in engstem Han 
delsverkehr stehenden christlichen Kaufleute schwer geschädigt wor 
den seien, weshalb es nottue, den Ausgewiesenen das ihnen ehedem 
zuerkannte Piecht einzuräumen, in Kleinrußland geschäftshalber we 
nigstens vorübergehend zu weilen. Aus Livland wurden aber dem Senat 
Vorstellungen gemacht, die in noch entschiedenerem Tone gehalten 
waren. Auch nachdem Livland mitsamt seiner Hauptstadt Riga von 
Schweden an Rußland abgetreten worden war (1710), blieb nämlich 
das Recht der Juden, sich im Lande zeitweilig zu Geschäftszwecken 
aufzuhalten, nach wie vor in Kraft. Es hing dies damit zusammen, 
daß die alteingesessene deutsche Kaufmannschaft sich zwar boden- 
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