Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

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§ SO. Die Verfolgungen unter den drei Kaiserinnen (1727—1761) 
573 Personell. Ein so geringfügiges Häuflein in einer Grenzmark des 
riesigen Reiches ansässiger Juden schien also der russischen Regie 
rung den gesamten Staat zu bedrohen und veranlaßte sie, alle ihr zu 
Gebote stehenden Machtmittel aufzubieten. Und doch sollte es ihr 
nicht gelingen, die „Gefahr“ zu bannen: bald stand die „jüdische 
Frage“ wieder auf der Tagesordnung. 
Mit besonderem Eifer befaßte man sich mit dieser Frage in der 
Regierungszeit der Tochter Peters I., der Kaiserin Elisabeth (1741 
bis 1761). Unter dieser Herrscherin, die am kirchlichen Gottesdienst 
nicht weniger Gefallen fand als an prunkvollen Hofbällen, waren 
alle Andersgläubigen überhaupt schwersten Verfolgungen ausgesetzt. 
So wurde auf Verfügung der Synode und des Senats ein Feldzug 
gegen den sich unter den heidnischen Stämmen des Ostens ausbrei 
tenden Islam unternommen, wobei die von den Tataren zu ihrem 
Glauben bekehrten Heiden gewaltsam der orthodoxen Kirche zuge 
führt wurden; nur die Befürchtung, daß die Türkei zu Vergeltungs 
maßnahmen greifen könnte, hielt die russische Regierung davon zu 
rück, die Verfolgungen auf die Spitze zu treiben. Dementsprechend 
wurden in den westlichen Randgebieten auch die Juden behandelt: 
während man sie mit der einen Hand aus dem Lande hinausbeför 
derte, wies man ihnen mit der anderen den Weg zum Taufbecken. 
Gegen Ende des Jahres 1742 erließ Elisabeth den folgenden bemer 
kenswerten Ukas. Unter Hinweis auf den die Juden betreffenden Er 
laß ihrer „vielgeliebten Mutter“ Katharina I. berichtet die Kaiserin 
in salbungsvollem Tone, es sei ihr zu Ohren gekommen, daß die 
Juden trotz des bestehenden Verbotes in ihrem ganzen Reiche, vor 
allem aber in Kleinrußland, sei es als Händler oder als Wirte, nach 
wie vor ansässig seien, und daß sie sich von „diesen Hassern des 
Namens Christi des Heilands“ für ihre treuen Untertanen nicht den 
geringsten Nutzen verspreche, sondern nur schwersten Schaden er 
warte; dies veranlasse sie nun „allergnädigst“, wie folgt, zu befeh 
len: „Die Juden sind samt und sonders aus unserem ganzen Kaiser 
reiche, sowohl aus den großrussischen wie aus den kleinrussischen 
Städten, Flecken und Dörfern ohne Aufschub nach dem Auslande zu 
verbannen und nie wieder, unter welchem Vorwand auch immer, in 
das Reich einzulassen, es sei denn, daß sich unter ihnen welche finden, 
die dem christlichen Glauben griechischer Konfession leben wollen; 
nur diesen soll es gestattet sein, nach vollzogener Taufe in unserem
	        
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