Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

Die Entstehung des jüdischen Zentrums in Rußland 
dentum verleitet habe ... so sollen die beiden dem Tode preisge 
geben und verbrannt werden, damit andere gottvergessene Dumm 
köpfe, dessen ansichtig, davor zurückscheuen, das Christengesetz zu 
übertreten, und Verführer von der Art jenes Juden Baruch es nicht 
mehr wagen, die Christen ihrem Glauben abspenstig zu machen und 
zu den eigenen Gesetzen zu verführen“. Am Morgen des i5. Juli 
wurden die beiden Verurteilten, nachdem man das Schauspiel vorher 
der gesamten Bevölkerung angekündigt hatte, auf einem der belebte 
sten Plätze Petersburgs dem Henker zur „Exekution“ übergeben und 
bei lebendigem Leibe verbrannt. 
Ein vereinzeltes Vorkommnis solcher Art genügte, um in der Pe 
tersburger Begierung den altmoskowitischen Haß gegen die „unge- 
tauften Juden“ wieder auflodern zu lassen und neue Verfolgungen 
auszulösen. So trat erneut die kleinrussische Frage in den Vorder 
grund. Sich an das ihnen bewilligte Recht klammernd, während der 
Jahrmärkte in Kleinrußland weilen zu dürfen, pflegten nämlich man 
che der zugereisten jüdischen Kaufleute ihren Aufenthalt über die ge 
setzliche Frist hinaus zu verlängern oder sich gar im Lande nieder 
zulassen. Es kam ihnen hierbei die Protektion der in der Ukraine be 
güterten Angehörigen des Petersburger Hofadels: der Fürsten, Gra 
fen, Geheimräte und Generäle, aber auch der ortsansässigen Befehls 
haber der Regimenter und Hundertschaften zugute, die die ihnen ge 
hörenden Wirtshäuser und Schenken erneut den als besonders zuver 
lässig geltenden Juden in Pacht zu geben begannen. Im Jahre 1788 
traf nun in Petersburg aus Gluchow eine Meldung der dort unter 
gebrachten „Kanzlei des Kleinrussischen Heeres“ ein, daß sich an 
verschiedenen Orten der Ukraine eine bedeutende Zahl von aus Polen 
eingewanderten Juden angesiedelt hätte. Der Senat, der soeben einen 
jüdischen „Verführer“ in den Flammentod geschickt hatte, beschloß 
hierauf, mit den rückfälligen Übertretern der im Jahre 1727 ergan 
genen Vorschrift kurzen Prozeß zu machen und sie allesamt unver 
züglich aus dem Lande zu weisen. Angesichts des damals ausgebro 
chenen russisch-türkischen Krieges tauchte jedoch die Befürchtung 
auf, daß die Ausgewiesenen dem Feinde Staatsgeheimnisse verraten 
könnten, weshalb denn die Durchführung der Maßnahme bis nach 
Friedensschluß verschoben und der entsprechende Ukas der Kaiserin 
Anna Iwanowna erst 1740 veröffentlicht wurde. Betroffen wurden 
von der Ausweisung insgesamt hundertunddreißig Familien oder 
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