Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

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Die Entstehung des jüdischen Zentrums in Rußland 
nicht ohne Wirkung, und die lokalen kleinrussischen Behörden, die 
Befehlshaber der „Hundertschaften“ und der „Regimenter“, gingen 
mit aller Energie daran, die jüdischen Pächter, Schankwirte und 
Händler aus ihren mit Müh und Not eingerichteten Wohnstätten zu 
vertreiben. Bald stellte sich jedoch heraus, daß die plötzlich verfügte 
Ausweisung auch für die mit ihrer Durchführung unmittelbar Be 
trauten überaus nachteilig war. Waren doch viele der Befehlshaber 
der „Hundertschaften“ und „Regimenter“ gleichzeitig Grundbesitzer, 
die für die Abwicklung ihrer mit den Juden eingegangenen Geschäfte 
einen längeren Zeitraum benötigten. So kam es, daß die „Regimen 
ter“ von Njeshin, Priluki u. a. sogar noch im Oktober keineswegs 
judenrein waren. Zwar wies der Hetman Daniel Apostol, der für die 
Durchführung des kaiserlichen Befehls verantwortlich war, die un 
tergeordneten Behörden an, sich strengstens an die Verfügung zu hal 
ten, doch gestattete er ihnen zugleich, jene Juden, die Schulden zu be 
gleichen hatten, noch einige Zeit im Lande zu dulden. 
Kaum war jedoch ein Jahr nach Veröffentlichung des verhäng 
nisvollen Erlasses verstrichen, als man sich in Kleinrußland schon 
darüber klar wurde, daß man ohne die Juden nicht gut auskommen 
könne: infolge des für die Juden bestehenden Einreiseverbotes wur 
den die kleinrussischen Märkte nur mangelhaft mit Waren aus Po 
len beliefert, so daß die Preise in die Höhe schnellten und die Ber 
völkerung zu murren begann. Dies veranlaßte den Hetman Apostol, 
sich nach Moskau zu begeben, wo das mit der Oberleitung der klein 
russischen Angelegenheiten betraute Amt seinen Sitz hatte, um dort 
darüber vorstellig zu werden, daß es den Juden gestattet würde, wäh 
rend der Messen in den ukrainischen Städten zu weilen und Handel 
zu treiben. Der Vorschlag wurde an den Obersten Geheimen Rat wei 
tergeleitet, und im August 1728 erging im Namen des minderjähri 
gen Kaisers Peter II. ein Ukas folgenden Inhalts: „Es ist den Juden 
gestattet, nach dem Kleinen Rußland während der Messen zu kauf 
männischem Geschäft zu kommen, nur sollen sie ihre Waren im gro 
ßen, nicht aber im kleinen, etwa eilen- und pfundweise, verkaufen 
und für den Erlös im Lande selbst wiederum Waren einkaufen, un 
ter keinen Bedingungen aber Gold oder Silber aus dem Kleinen Ruß 
land nach dem Auslande ausführen . . . Der ständige Aufenthalt im 
Kleinen Rußland bleibt den Juden hingegen nach wie vor verboten“. 
So waren es die wirtschaftlichen Verhältnisse, die den Juden von
	        
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