Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

Das autonome Zentrum in Polen 
bruch der von Sabbatai Zewi ins Leben gerufenen messianischen Be 
wegung gegen die Erreger krankhafter Schwärmerei nicht immun. 
Die von der ukrainischen Katastrophe am schwersten betroffene pol 
nische Provinz, Podolien, gehörte bekanntlich vorübergehend zum Be 
sitzstände der Türkei (1672—1699), und so kamen die schwerge 
prüften Massen mit den im türkischen Saloniki residierenden Nach 
folgern des Sabbatai sowie mit anderen Abzweigungen der Sekte in 
nähere Berührung (oben, §§ 9 und 11). Ungeachtet dessen, daß die 
allgemein anerkannten Führer der Judenheit sich von dem abtrünni 
gen Messias und seinen eigenmächtigen Stellvertretern bereits längst 
losgesagt hatten, trafen in Saloniki unausgesetzt Pilger aus Podolien 
und Galizien ein, die aus der Fremde den felsenfesten Glauben an die 
Wiederkunft des Messias heimbrachten und für die Niederlage des 
in Gestalt des Sabbatai erschienenen Erlösers allein die „sündige Ge 
neration“ verantwortlich machten. Dies war der Nährboden, auf dem 
sich um die Wende des XVII. Jahrhunderts die messianische Agita 
tion in Polen erneut hervorwagen konnte. f 
Als einer der eifrigsten Künder der erhofften Wiederkunft des 
Messias tat sich dort der Kabbalist Chaim Malach hervor. Seinen 
Beinamen, der ursprünglich „Mehalech“ lautete, soll Chaim aus dem 
Grunde erhalten haben, weil er mehrmals den Weg nach Saloniki 
zurückgelegt hatte; später wurde jedoch das Wort „Mehalech“, d. h. 
Wandersmann, von den einen zum Spott, von den anderen allen Ern 
stes in „Malach“, d. i. Engel, umgeprägt. Nachdem Chaim in Sa 
loniki sowie in Smyrna und Konstantinopel mit den Häuptern der 
Sabbatianersekte in nähere Beziehungen getreten war, ging er daran, 
für die Lehre auch in Polen Stimmung zu machen. Zunächst fand 
er freilich nicht den Mut, in aller Öffentlichkeit hervorzutreten, und 
beschränkte sich auf eine Propaganda in geheimen Konventikeln, die 
im wesentlichen darauf hinauslief, daß Sabbatai Zewi, der wahre Er 
löser, vierzig Jahre nach seiner erzwungenen Apostasie, d. i. im Jahre 
1706, sich erneut offenbaren und das Volk ebenso erlösen werde wie 
einst Moses, der gleichfalls vierzig Jahre dazu brauchte, um die Kinder 
Israel an die Schwelle des gelobten Landes zu bringen. Da nach die 
ser Weissagung die Stunde der Erlösung nahe war, so galt es, sich 
in aller Eile durch Werke der Buße und Frömmigkeit von den Sün 
den reinzuwaschen. Als Bußprediger ragte in diesem Kreise ein an 
derer polnischer Kabbalist, Jehuda Chassid aus Sjedlce oder Schid-
	        
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