Volltext: Die älteste Geschichte des jüdischen Volkes (1, Orientalische Periode / 1925)

Das babylonische Exil 
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salem sowie den Tempel Jahves, des „Gottes des Himmels“, wieder 
aufzubauen (538). Nach den biblischen Urkunden soll ein dies 
bezüglicher Befehl in Form einer schriftlichen Verordnung ab 
gefaßt und allenthalben im persischen Reiche veröffentlicht worden 
sein *). Zum ersten Statthalter setzte der persische Monarch einen 
vornehmen Mann mit Namen Sesbazar ein. 
Von dem veröffentlichten Freibrief konnten jedoch vorerst nicht 
alle Exulanten Gebrauch machen. Nicht leicht war es der zahl 
reichen, seit fünfzig oder sechzig Jahren in Babylonien ansässigen 
Bevölkerung, die erworbenen Häuser, Äcker und Gärten zu ver 
lassen und die weite Reise nach Judäa anzutreten. Viele wurden 
i) Im Bache Esra (6, 3—5) ist einer in der medischen Hauptstadt Ekbatana 
auf gefundenen Verordnung des Kyros Erwähnung getan, in der es unter anderem 
heißt: ,,Das Haus Gottes zu Jerusalem soll gebaut werden. . . . Die Kosten 
sollen aus dem königlichen Fiskus bestritten werden. . . . Auch soll man die 
goldenen und silbernen Geräte des Hauses Gottes, die Nebukadrezzar aus dem 
Tempel zu Jerusalem herausgeholt und nach Babylon gebracht hat, zurückgeben 
und es möge kommen in den Tempel zu Jerusalem an seinen Ort.“ In demselben 
Buche (i, 2—4) sowie in den Büchern der ,,Chronik“ (letzter Vers) wird der 
Inhalt dieser Verordnung folgendermaßen kurz zusammengefaßt: ,,Alle König 
reiche der Erde hat Jahve, der Gott des Himmels, mir gegeben, und er hat mir 
Auftrag gegeben, ihm ein Haus zu bauen zu Jerusalem in Juda. Wer nun unter 
euch seines Volkes ist, mit dem sei sein Gott, und er ziehe hinauf gen Jerusalem 
in Juda und baue das Haus Jahves, des Gottes Israels.“ Diese Darstellung des 
ehrerbietigen Verhaltens Kyros’ der jüdischen Religion gegenüber könnte vielleicht 
als übertrieben angesehen werden, wenn nicht andere Denkmäler auch von seiner 
Stellung den babylonischen Kulten gegenüber gleichlautendes Zeugnis abgelegt 
hätten. In der bereits erwähnten Zylinderinschrift wird ein nach der Einnahme 
von Babylon verkündetes Manifest des Kyros angeführt, in dem von Marduk in 
derselben Weise gesprochen wird, wie in den jüdischen Quellen von Jahve: ,,Als 
ich in Frieden in Babylon einzog und unter Jauchzen und Jubel im Palaste der 
Könige die königliche Wohnstätte einrichtete, machte Marduk, der große Gebieter, 
das edle Herz der Einwohner Babylons mir geneigt um deswillen, weil ich täglich 
auf seine Verehrung bedacht war.“ Weiter spricht Kyros davon, daß er um alle 
inneren Angelegenheiten Babylons und um alle „seine Heiligtümer“ Sorge ge 
tragen, alle weggebrachten Götter Sumer und Akkads in ihre früheren Residenzen 
wieder eingesetzt habe, und schließt dann so: „Alle Götter, die ich in ihre Städte 
zurückgebracht habe, mögen täglich vor Bel und Nabu um ein langes Leben für 
mich flehen.“ Gleich den frommen jüdischen Schriftgelehrten legten also auch 
die babylonischen Priester Kyros denselben Hang zur Verehrung der Gottheiten 
der unterworfenen Völker bei. Trotz aller tendenziösen Färbung dieser er 
dichteten „Manifeste“ ist doch mit Sicherheit anzunehmen, daß Kyros (ebenso 
wie später Alexander der Große und die römischen Eroberer) sich tatsächlich für 
die offizielle staatliche Anerkennung der Kulte aller in sein großes Imperium 
auf genommenen Länder eingesetzt hat.
	        
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