Volltext: Die älteste Geschichte des jüdischen Volkes (1, Orientalische Periode / 1925)

§ 69. Der Prophet der Wiedergeburt (Jesaja II) 
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Städte) blieben nicht verschlossen . . . um meines Knechtes Jakobs 
willen und Israels, meines Erwählten. Drum rief ich dich (Kyros) 
bei deinem Namen, gab dir Ehrennamen, da du mich nicht kanntest. 
Ich bin Jahve, und es gibt keinen sonst, außer mir gibt’s keinen 
Gott. Ich rüstete dich, da du mich nicht kanntest, damit man 
lernte, wo die Sonne aufgeht und wo sie untergeht, daß neben mir 
keiner, ich, Jahve, und es gibt keinen sonst: der gebildet das Licht 
und geschaffen die Finsternis, der da wirkt das Heil und das Un 
heil schafft. . . . Ich habe gemacht die Erde und die Menschen auf 
ihr erschaffen; meine Hände spannten den Himmel und all sein 
Heer bestellt' ich. Ich habe ihn (Kyros) erweckt in Gnaden und 
all seine Wege will ich ebnen; er soll bauen meine Stadt und die 
Gefangenen meines Volkes loslassen 4 “ (Kap. 45). 
In allen Prophezeiungen Jesajas II kehrt folgender Gedanken 
gang wieder: die judäische Nation ist durch das Exil von ihrer 
Sünde erlöst und es muß ihr nun gerechterweise Befreiung zuteil 
werden. Kyros ist der Vermittler bei diesem Befreiungsakte. Viele 
mochten dies bezweifelt haben, da diese heilige Sendung nicht einem 
Judäer, sondern einem Andersgläubigen anvertraut worden war. Der 
Prophet erklärt daher, daß Gott mit Absicht einen König zu seinem 
Werkzeug gewählt hätte, jenen großen, die Schicksale der Völker 
in neue Bahnen lenkenden Eroberer, der, ohne Gott zu kennen, 
unbewußt seinen Willen tue. Die erschütterte Welt solle einsehen, 
daß derselbe Gott, der mächtige Reiche in die Gewalt des Kyros 
gab, ihn zugleich als Werkzeug für die Wiedergeburt der kleinen 
judäischen Nation ausersehen hat, daß das stolze Babylon nur 
darum fallen mußte, damit die judäischen Gefangenen wieder ihre 
Freiheit erlangen. So werde es der ganzen Welt sichtbar werden, 
daß der Gott der Judäer zugleich auch der Lenker der Schicksale 
aller anderen Völker sei 1 ). Dies aber sei möglich, weil der judäische 
*) Ein interessantes Gegenstück zu der Prophezeiung Jesajas II bildet eine 
derselben Zeit entstammende babylonische Inschrift auf dem sogenannten Kyros- 
z^linder, in der Kyros von den babylonischen Priestern in gleichlautenden Aus 
drücken als ein Auserwählter des Gottes Marduk gepriesen wird: „Marduk faßte 
Erbarmen (mit dem Los Babyloniens). In allen Ländern hielt er Umschau und 
suchte einen gerechten Fürsten nach seinem Herzen. . . . Kuras, König von 
Ansan, berief er mit Namen zur Herrschaft über die Gesamtheit des Alls. Alle 
Umanmander (Meder) warf er ihm zu Füßen, die Schwarzköpfigen (Semiten) 
nahm er unter seinen Schutz nach Recht und Gerechtigkeit. Marduk, der große 
Gebieter, der Beschützer seiner Menschen, blickte voll Freude auf seine (des 
Kyros) gesegnete Taten und sein gerechtes Herz herab und hieß ihn zu seiner 
Stadt Babylon schreiten, ihn als Freund und Genosse begleitend. Ohne Kampf
	        
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