Volltext: Die älteste Geschichte des jüdischen Volkes (1, Orientalische Periode / 1925)

§ 6U. Der Statthalter Gedalja; Auswanderung nach Ägypten 
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der neuen Ordnung zu fügen, und sah daher von allen Schutz 
maßnahmen ab. Als nun Gedalja einmal aus Anlaß eines Volks 
festes ein großes Festmahl in Mizpa veranstaltete, zu dem auch 
lsmael und seine Freunde geladen waren, griffen die Verschwörer 
plötzlich zu ihren Schwertern und ermordeten Gedalja sowie viele 
der Gäste, unter denen sich auch Babylonier befanden. Um das 
Zentrum in Mizpa zu zerstören, zwangen sie die dort ansässig ge 
wordenen Judäer (unter denen auch die Töchter Zedekias waren, 
die dort nach der Zerstörung Jerusalems unter der Vormundschaft 
Gedaljas lebten), die Stadt zu verlassen, und begaben sich mit ihnen 
zum Jordan, um das Ammoniterland zu erreichen. Inzwischen setzte 
der Freund Gedaljas, Jochanan ben Koreach, der Schar Ismaels 
mit einem Heertrupp nach und holte sie bei Gibeon ein. Jochanan 
gelang es, die von lsmael mitgeschleppten Leute zu befreien. lsmael 
selbst aber entfloh mit einigen seiner Genossen in das Ammoniter 
land x ). 
Jochanan, seine Kriegskameraden und die bei ihnen gebliebenen 
Leute befanden sich in einer verzweifelten Lage. Sie befürchteten, 
daß Nebukadrezzar, von der Ermordung seines Statthalters in Kennt 
nis gesetzt, an allen in Mizpa verbliebenen Judäern Rache üben und 
das Land von neuem verheeren würde. Darum beschlossen sie, nach 
Ägypten auszuwandern und beim ehemaligen Verbündeten Judas, 
bei dem Pharao Hofra, Schutz zu suchen. Allein bevor sie diesen 
Plan ausführten, wandten sie sich an Jeremia mit der Bitte um 
eine prophetische Weisung und um Rat. Jeremia befürchtete, daß 
mit dem Fortzug der Schar Jochanaans Juda seiner letzten zur 
Verwaltung des Landes befähigten und geschulten Bürger verlustig 
gehen würde, so daß das Volk dann gänzlich der Verwilderung 
anheimfallen müßte. Darum war er mit Aufbietung aller Kräfte 
1 ) Das Datum der Ermordung Gedaljas ist nicht mit Genauigkeit festzustellen. 
In den Quellen (Jer. 4i> i und II. Kön. 25, 2Ö) wird nur der „siebente Monat“, 
d. i. Tischri, erwähnt, den manche Geschichtsschreiber (Kittel u. a.) in das Jahr 
der Zerstörung Jerusalems verlegen, die im fünften Monat, im Ab des Jahres 
586 erfolgte. Es ist jedoch kaum anzunehmen, daß die Verwaltung des Landes 
durch Gedalja, die die Errichtung eines neuen Zentrums in Mizpa mit sich 
brachte, nur zwei Monate gedauert hat. Viel eher ist anzunehmen, daß die Er 
mordung Gedaljas drei bis vier Jahre nach der Zerstörung Jerusalems (582) er 
folgte und die dritte Verbannung der judäischen Gefangenen nach Babylonien, 
wovon weiter die Rede ist, zu ihrer unmittelbaren Folge hatte.
	        
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