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Zahl der Gemüthsbewegungen oder der Lugenden und Laster,
so mußte ich sie in eine Lasel bringen und versuchen, wie die Ar
ten nach einander herauskämen, und da fand ich gemeiniglich,
daß die Erzählung unvollkommen und noch mehr Arten beigesetzt
werden können. Mit solchem allein hatte ich meine besondere Lust,
schrieb auch allerhand Zeug zusammen, so zwar nicht geachtet,
sondern verloren, doch lange Jahre hernach etwas davon ohnge-
sähr gefunden, so mir noch jetzt nicht ganz mißfällt." Von die
sen Eintheilungen und Untereintheilungen bemerkt Leibniz in dem
selben Briefe sehr bezeichnend, er gebrauche sie gleichsam als ein
Netz oder Garn, das flüchtige Wild zu fangen. Und auf den
bekannten Einwand, daß gute Köpfe solche logische Hülfsmittel
nicht brauchen, sondern mit ihrem natürlichen Verstände zurecht
kommen, schlechte Köpfe aber mit allen diesen Vortheilen es jenen
nicht gleich thun, erklärt Leibniz: „ich stehe in den Gedanken,
daß ein schlechter Kopf mit den Hülfsvortheilen und deren Uebung
es dem Besten bevorthun könnte, gleichwie ein Kind mit dem
Lineal bessere Linien ziehen kann, als der größte Meister aus
freier Hand. Die herrlichen Ingenia aber würden unglaublich
weit gehen können, wenn die Vortheile dazu kämen*)."
8. Das Gedankenalphabet und die Gedankenschrift.
Wir sehen deutlich, von welcher Seite die Logik ihn fesselt
und unter den Schulwissenschasten am meisten seinen Geist an
zieht und beschäftigt. Er entdeckt in dem sogenannten Fachwerk
der Logik mehr als ein leeres Schema. Diese logischen Einthei
lungen haben in der That eine erfinderische Kraft. Schon Plato
*) Leibniz's deutsche Schriften herausgegeb. von Guhrauer
Bd. I, S. 377 — 381.