Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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2. Verhältniß zu Leibniz. 
Göthe's leibnizischer Pantheisnms. 
Was man im klebrigen Göthe's Weltanschauung nennt, ist 
im strengen Sinne des Worts weder Spinozismus noch sonst ein 
philosophisches System, wofür dieser poetische Genius kein Be 
dürfniß und darum auch keine Anlage hatte, sondern es ist die 
ächte phantasiegemäße Vorstellungsart, die das Göttliche in der 
Welt, das Geistige in dem Natürlichen zu schauen bestrebt ist. 
So war Göthe ein vollkommen dichterischer Pantheist, aber ein 
solcher, dem das Krastgefühl der menschlichen Eigenthümlichkeit, 
das Selbstgefühl der eigenen unveräußerlichen Individualität so 
lebhaft inwohnte, daß er in diesem Punkte niemals ein Spinozist 
weder sein noch werden konnte. Man kann sagen, daß ihm 
mehr als einem Andern jener Begriff leibnizischer Monade ange 
boren war, der die absolute Eigenthümlichkeit der menschlichen 
Seele festhielt und zugleich das Geistige und Körperliche in Eines 
faßte. Auf diesen Begriff gründet sich die ächt göthe'sche An 
schauung einer gesetzmäßigen, continuirlichen Entwick 
lung in allen Dingen, die er mit so vielem Eifer in Steinen, 
Pflanzen und Thieren verfolgte; und an ebendenselben Begriff 
knüpfen sich seine Unsterblichkeitsvorstellungen, die darin vornehmer 
als die leibnizischen dachten, daß sie nur für die höher strebenden 
Geister eine ewige persönliche Fortentwicklung annahmen. Und hier 
besonders bedient sich Göthe gern der leibnizischen Ausdrücke, daß 
der Mensch Entelechie, Monade oder, wie er bisweilen sagt, „en- 
telechische Monade" sei. Identität von Natur und Geist und 
naturgemäße, organische Entwicklung in allen Dingen: diese bei 
den genau verbundenen Begriffe bilden die Mittelpunkte der gö- 
thc'schen Weltanschauung, die kein System, sondern das Be-
	        
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