Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

ehrung des Atheisten und überlasse Euch Alles, was Ihr Religion 
heißt und heißen müßt. Wenn Du sagst, man könne an Gott 
nur glauben, so sage ich Dir: ich halte viel aufs Schauen, 
und wenn Spinoza von der intuitiven Erkenntniß schreibt und 
sagt: „„diese Betrachtungsweise kommt durch den klaren Begriff 
vom wirklichen Wesen gewisser Attribute Gottes zum klaren Be 
griff vom Wesen der Dinge"", so geben mir diese wenigen Worte 
Muth, mein ganzes Leben der Betrachtung der Dinge 
zu widmen, die ich reichen und von denen ich mir eine adä 
quate Idee bilden kann, ohne mich im Mindesten zu bekümmern, 
wie weit ich kommen kann und was mir zugeschnitten ist*)." 
Die Ruhe und Klarheit, wie der zur Entsagung gestimmte Geist 
Spinoza's zogen Göthe mächtig an, und in dem „amor Dei“ 
erkannte er jenen hohen Seelenfrieden, den er auf dem Wege sei 
ner künstlerischen und intuitiven Weltbetrachtung in dem eigenen 
Gemüthe fand und erlebte. Ist doch die Jntellectualliebe Spi 
noza's selbst eine Intuition, worin der anschauende und denkende 
Verstand einander begegnen dürfen und also der phantasievollste 
Dichter mit dem strengsten mathematischen Denker wohl überein 
stimmen konnte. In diesem Punkte liegt Göthe's Congenialität 
mit Spinoza, dessen System in seiner mathematischen Verfassung 
er wohl nie, so wenig als Herder, zu einer Angelegenheit wirk 
lichen Studiums gemacht hat und auch bei der Eigenthümlichkeit 
seines Geistes kaum machen konnte. Zwischen beiden besteht die 
Wahlverwandtschaft contemplativer Gemüther, die gleiche Nei 
gung theoretischer Geister zu einem beschaulichen Leben. 
*) Ueber Göthe's Verhältniß zu Jacobi, dem Spinozismus und 
dem. Mendelssohn - jacobi'schen Streite vgl. Schöll's Ausgabe der Briefe 
und Aufsätze von Göthe aus den Jahren 1766—1786 (S. 192 — 229). 
Ueber Göthe's Spinozismus vgl. ineinen Vortrag über Baruch Spinoza 
(1865). S. 11, 12.
	        
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