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Triebe. Ihre Gotteslehre war naturalistisch; ihre Moral deter
ministisch. Natürliche Gotteslehre ist für Jacobi gleich „Atheis
mus"; deterministische Moral ist ihm gleich „Fatalismus".
Dahin führt offen genug die Lehre Spinoza's; eben dahin führt
zwar weniger offen, aber nicht weniger nothwendig die leibniz-wol-
sische Philosophie und überhaupt jeder folgerichtige Rationalis
mus*). Die Reflexion kann den Glauben nicht machen; der Ver
stand, sei er auch noch so klar und deutlich, kann die Thatsache der
Religion nicht erzeugen und hat sie niemals erzeugt; wenn diese
Thatsache möglich ist, so muß sie vor dem Verstände bestehen,
da sie durch ihn nicht entstehen kann. Es muß daher im Men
schen eine ursprüngliche Wahrnehmung des Ueber-
sinnlichen geben, wodurch wir uns dem Wesen nach vom
Thier unterscheiden, wodurch wir im eigentlichen Sinne erst
menschlich sind. Hier oder nirgends muß das Wesen des Men
schen entdeckt werden. Diese Entdeckung, welche den Gesichts
kreis der dogmatischen Philosophie übersteigt, hat Jacobi gemacht
oder zu machen gesucht, und in dieser Richtung erscheint er als
der unmittelbare Vorgänger Kant's, der den Punkt traf, welchen
Jacobi nur suchte.
III.
Jacobi's Stellung in der Geschichte der
Philosophie.
1. Jacobi und Ka»t.
Kant entdeckte, um die Erkenntniß zu erklären, also im
Interesse der neu zu begründenden Philosophie, solche Kräfte in
der menschlichen Seele, die ursprünglich sein müssen und den
*) Briefe über die Lehre des Spinoza. Werke. Bd. IV. 1. Abth.
S. 216flgd. Nr. I, III, IV.