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der Erlösung und Versöhnung sind dem Geiste Hamann's ganz
gemäß: er hätte sich ohne diese das Christenthum nicht denken,
nicht aneignen, er hätte mit Tertullian sagen können: credo
quia absurdum. Aber dabei war Hamann weit entfernt, ein
orthodoxer Christ im gewöhnlichen Sinne zu sein. Seine Reli
gion bestand in lebendiger Erfahrung, sein Glaube war so zu sa
gen Genie, ursprüngliche Gemüthsverfassung und darum von
Natur jedem abgeleiteten Systeme fremd. In der gewöhnlichen
Orthodoxie sah er nur todten, vom Buchstaben der Religion ab
hängigen Glauben: „ihm ist," sagt Jacob! von Hamann, „der
wahre Glaube, wie dem Verfasser des Briefes an die Hebräer,
auf den er sich beruft, Hypostasis. Alles Andere," spricht er
verwegen, „ist heiliger Koth des großen Lama*)."
6. Der kindliche Glaube.
So suchte Hamann die Wissenschaft zum ursprünglichen,
lebendigen Glauben, zur Glaubenspoesie zurückzuführen, und
dieser Glaube mußte ihm um so lebendiger erscheinen, je weniger
der Mensch seiner Ursprünglichkeit entfremdet, je weniger die Ein
heit der Gegensätze in der menschlichen Seele aufgelöst und ge
lockert, je näher der Mensch noch Gott und der Natur verwandt
ist. Darum erschien ihm als der lebendigste Glaube der kind
liche, und die Sehnsucht nach dem Glauben der Kindheit ergriff
damals als ein charakteristischer Zug die bewegtesten Gemüther
des Zeitalters. Von hier aus berührten Hamann's Einflüsse am
mächtigsten den Geist Herder's, der in den ältesten Zeiten des
menschlichen Geschlechts gleichsam die Kindheit der Religion auf
suchte. Man wird die Gewalt dieser Vorstellung lebhaft nach
*) Bries an Joh. G. Jacobi vom Jahre 1787 sein Jahr vor
Hamann's Tode). Fr. Heinr. Jacvbi's Werke. B. III. S. 505.
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