Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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wävtig, denn er fühlte mit einem sichern Tacte, der ihn vor sei 
nen Geistesgenossen, namentlich vor Jacobi, auszeichnete, daß je 
der Versuch der Art gegen sich selbst handle, daß die Analyse des 
Gefühls nicht mehr Gefühl sei. Nur in der Einheit der Gegen 
sätze besteht ihm das Leben, in dem Vollgefühle dieser Einheit das 
wahrhafte, lebendige Wissen: diese „coincidentia oppositorum“, 
wie sie Giordano Bruno genannt hatte, erscheint ihm als der 
größte Gedanke der Philosophie. Freilich könne den Vereini 
gungspunkt der Gegensätze die bloße Verstandeslogik nie fassen; 
freilich müsse diese einen unbegreiflichen und unmöglichen Wider 
spruch in jener Wahrheit erkennen, die das Princip und die Quelle 
alles Lebens, des individuellen so gut als des geschichtlichen, aus 
macht. Aber deßhalb sind auch die Wahrheiten, welche der ab- 
stracte Verstand für sich gewinnt, unwirkliche und todte Begriffe, 
und die lebendige Wahrheit findet sich eben da, wo der abstracte 
Verstand nur unauflösliche Räthsel und undurchdringliche Ge 
heimnisse erblickt. Die Wahrheit ist eben so geheimnißvoll als 
das Leben: sie ist geheimnißvoll, weil sie Widerspruch ist; 
dieser Widerspruch existirt leibhaftig im Menschen, so sehr ihn die 
gewöhnliche Philosophie in Abrede stellt. Im Menschen sind ja 
die entgegengesetzten Bestimmungen wirklich vereinigt: er ist in 
Einem Körper und Geist, in Einem Vernunft und Sinnlichkeit; 
und daß er es ist, beweist unwiderleglich die Thatsache der 
Sprache, denn jedes Wort ist versinnlichter Gedanke, verkör 
perter Geist. Wie wenig begreift daher den Menschen die Philo 
sophie, die entweder Spiritualismus oder Materialismus ist und 
durch Begriffe entzweit, was die Wirklichkeit aufs Innigste ver 
einigt. Diese Versuche der Schulphilosophie scheitern an dem 
Zeugniß der lebendigen Thatsache; sie scheitern vor Allem an dem 
Zeugniß der Sprache. Die Philosophie suHe also die Einheit
	        
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