822
lende. Dieses Gefühl ist der Zustand der vollkommensten und
einfachsten Innigkeit, worin, wie in einem Brennpunkte, sich
alle Seelenkräfte vereinigen; woraus als ihrer Quelle alle mensch
liche Entwicklung hervorgeht.
Der menschliche Geist, als ein Ganzes genommen, fühlt
nur was er ist, und was er im Ganzen ist, kann er nur
fühlen. Sowie der Mensch unmittelbar aus der Hand Gottes
und der Natur hervorgeht, ist er und fühlt sich Gott und der
Natur am nächsten verwandt und von beiden unmittelbar getrie
ben und erfüllt. Wenn sich der menschliche Geist naturmächtig
fühlt und naturmächtig handelt, ist er genial. In der Ge-
müthsverfaffung, worin er sich Gott am nächsten verwandt, von
Gott kindlich abhängig fühlt, ist er gläubig. So sind Glaube,
Genie, Gefühl die Formen, unter denen hier das ursprünglich
Menschliche (Originale) aufgefaßt, zum Urbilde der Menschheit
erhoben, der menschlichen Entwicklung zum Ziele gesetzt wird.
Die von dem Drange nach Originalität und nach Erkennt
niß der Originalität ergriffene Aufklärung entwickelt sich in den
verschwisterten Richtungen der Glaubens- Genie- und Ge-
sühlsphilosophie und bildet diese Standpunkte aus in Ha
mann, Lavater, Friedrich Heinrich Jacob!, denen Herder vor
ausgeht.
Diese Originalitätsphilosophen werden die entschiedenen Geg
ner der Verstandesaufklärung; sie verneinen den Dogmatismus
der Philosophie, ohne ihn zu überwinden; sie stehen vor der
' Schwelle der kritischen Philosophie, die sie nicht fassen, und
umgeben die Wege der deutschen Geniepoesie, aus die sie mit
drängend und mitstürmend einwirken. Es sind die Stürmer und
Dränger in der Philosophie. Den Geniedenkern ist das nächste
und interessanteste Object das wirkliche Genie. So werden Her