Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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gegen die Natur des Menschen. In diesem großen und tiefsinni 
gen Verstände war Lessing, so sehr er die Wahrheit liebte und 
die Rechte der Vernunft vertheidigte, ein Gegner jeder erzwunge 
nen Aufklärung, wie es in seinem Zeitalter die josephinische war, 
die ebenso ungeschichtlich handelte, als die Verstandesaufklärung 
ungeschichtlich dachte*). Eine solche Aufklärung ist nicht Auf 
klärung, sondern Aufklärerei. 
b. Offenbarung als Erziehung. 
Die Geister wollen nicht übertrieben, sondern gereist wer 
den. Der einzig vernunftgemäße Weg, der langsam, aber sicher 
dem Ziele der Menschheit entgegengeht, ist die allmähliche Bildung, 
die nicht in Sprüngen, sondern in Stufen fortschreitet und jede 
höhere Stufe des menschlichen Geistes aus der frühern als deren 
natürliches Gesammtresultat hervorgehen läßt. Die Entwicklung 
des einzelnen Individuums nennen wir Erziehung. Auch das 
Menschengeschlecht verlangt eine analoge Entwicklung; es will zu 
seiner Bestimmung erzogen werden. In der Erziehung empfan 
gen wir von Andern, was aus sich selbst zu erzeugen, unsere 
Vernunft noch nicht stark und selbständig genug ist. Aber wir 
empfangen Nichts, das unserer Vernunft widerspricht; wir em 
pfangen die Vernunftwahrheiten nur so, daß sie unserer noch un 
selbständigen und kindlichen Vernunft begreiflich werden. Und 
die Menschheit sollte nicht ebenso erzogen werden? Sie sollte 
nicht eben derselben Erziehung bedürfen? Was wir von Andern 
empfangen, wird uns offenbart; jede Erziehung ist in diesem 
Sinn Offenbarung. Wenn wir die Offenbarung, welche das 
einzelne Individuum erfährt, Erziehung nennen, so soll die Er 
ziehung, die dem Menschengeschlechte zu Theil wird, Offenba- 
*) Etwas, das Lessing gesagt hat. Fr. Heim. Jacobi's 
Werke. Bd. II. S. 325flgd.
	        
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