Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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oder endlich negativ, indem sie es als vernunftwidrig verneinte. 
Den ersten Standpunkt behauptete Leibniz; den letzten Reima- 
rus; den eklektischen Mittelweg gingen die gewöhnlichen Wolsiancr 
auf der breiten Heerstraße der Aufklärung. Jeder dieser Stand 
punkte hatte seinen eigenthümlichen Mangel und konnte die 
eigentliche Aufgabe nicht lösen. Leibniz erreichte statt der gesuch 
ten Harmonie zwischen Vernunftreligion und Offenbarung nur 
einen vorläufigen Vertrag, bei dem die Rechte der Vernunft ver 
kürzt wurden. Und die Andern, welche die Vernunft allein im 
Auge behielten, konnten der Geschichte niemals gerecht werden: 
entweder nahmen sie der positiven Religion alle geschichtliche Ei 
genthümlichkeit oder alle religiöse Bedeutung. Lessing räumte 
die Voraussetzung aus dem Wege, von der jene Standpunkte 
abhingen, und welche die entscheidende Lösung hinderte. Ist es 
denn ganz ausgemacht, daß die Offenbarung unbegreiflich und 
der Vernunft unzugänglich ist, sei es daß sie dieselbe übersteige 
oder ihr widerspreche? Oder läßt sich vielleicht der Ofsen- 
barungsbegriff selbst in einen Vernunftbegriff verwan 
deln? Diesen Versuch macht Lessing, und damit verändert sich 
der Ausgangspunkt der ganzen Untersuchung. Er will den Be 
weis führen, daß die positiven (geschichtlichen) Religionen und 
näher das positive Christenthum nicht übervernünstig, nicht ver 
nunftwidrig, sondern vernunftgemäß sei. Zur positiven Religion 
und zur Geschichte überhaupt verhält sich Lessing nicht weniger 
anerkennend, als Leibniz; die Sache der Vernunft ergreift er 
ebenso entschieden, als Reimarus: beide Gesichtspunkte weiß er 
so zu vereinigen, daß er die Geschichte der Religionen als den 
Entwicklungsgang her menschlichen Vernunft betrachtet. Nur 
so kann die Vernunft die geschichtliche Religion wirklich durch 
dringen ; nur so können beide wirklich mit einander übereinstim
	        
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