732
So wenig irgend eine Monade ihren Körper wählt und schafft,
sondern sich demselben eingeboren findet, so wenig kann die
Weltseele den Weltkörper wählen und schaffen: mit diesem
Begriffe wird die Schöpfung in Gott aufgehoben. Die Welt
seele ist nicht Weltschöpfer. Wie jede andere Seele ist sie einge
schränkt auf einen bestimmten Körper, den in diesem Falle das
Weltall selbst ausmacht; darum ist die Weltseele nicht schranken
los und also nicht die höchste Monade in dem strengen Sinn,
daß eine höhere unmöglich gedacht werden kann. Aber auf
den Begriff einer solchen absolut höchsten Monade geht die
Richtung der leibnizischen Philosophie; sie will in Gott nicht
bloß die allumfassende, sondern die schaffende Monade, die
absolute Persönlichkeit begreifen und nimmt daher augenblicklich
den Begriff der Weltseele wieder zurück, den sie mit dem „centre
par-tout“ ausgesprochen hatte. „Man hat sich treffend ausge
drückt," sagt Leibniz, „daß Gott gleichsam das allgegenwärtige
Centrum sei, aber seine Peripherie ist kein Theil, denn ihm ist
Alles unmittelbar gegenwärtig, ohne irgend eine Entfernung von
jenem Centrum *)." Das heißt mit andern Worten: zwischen
Gott und den Monaden findet kein natürlicher Zusammenhang
statt. Gott ist schlechthin immateriell, die Dinge sind in seinem
Verstände unmittelbar gegenwärtig, sie bilden ideale Möglich
keiten, aus denen Gott diejenigen wählt, die in Existenz treten
sollen.
Ist aber auf der andern Seite Gott schrankenlose Substanz
im strengen Sinne des Worts: wo bleibt das göttliche Selbst
im ernstlichen Unterschiede von den Dingen? Wo bleibt in Gott
die moralische Selbstbestimmung, die moralische Nothwendigkeit,
*) Principes de la nature et de la gräce. Nr. 13. Op.
phil. pg. 717.